Gegen Übergewicht anlaufen

Ob jemand dick wird oder nicht, ist auch eine Frage der Veranlagung. Wie sehr sich die Gene auswirken, ist jedoch durch den Lebensstil beeinflussbar, etwa durch Sport. Laut einer neuen Studie hilft Joggen am besten – das ist aber umstritten.

„Denn für Fettleibige ist Laufen nicht der geeignete Sport“, sagt Piero Lercher, Sportarzt an der Medizinischen Universität Wien. Er hält es für gefährlich, wenn Übergewichtige der neuen Studie folgend sofort losrennen. Das sei für die Gelenke zu belastend und deshalb sogar „potenziell gesundheitsgefährdend“. Joggen sei zwar ein Sport, der sehr intensiv und deshalb effektiv ist. Piero Lercher gibt aber zu bedenken, dass nicht jede Sportart für jeden geeignet ist.

Joggen am effektivsten

Für die aktuelle Studie hat ein Forscherteam in Taiwan Gesundheitsdaten von 18.000 Menschen ausgewertet. Die Testpersonen waren alle in der nationalen Gendatenbank Taiwans gelistet und hatten genetisch gesehen ein besonders hohes Risiko, übergewichtig zu werden. Sie machten Angaben zu ihrer Gesundheit und ihrem sportlichen Verhalten. Um zu beurteilen, wie sich der Sport auf sie auswirkt, untersuchten die Forscher auf verschiedene Parameter der Probanden: Body Mass Index (BMI), Hüftumfang, Bauchumfang und deren Verhältnis sowie Fettanteil im Körper.

Ergebnis: „Joggen hat bei allen untersuchten Faktoren die signifikantesten Ergebnisse erzielt“, berichtet die Studienautorin Wan-Yu Lin von der National Taiwan University gegenüber science.ORF.at. Bergsteigen, Walken, Standardtanzen und Yoga konnten zwar den BMI senken, wirkten sich auf Körperfett und Umfang aber kaum aus. Schwimmen und Radfahren waren sogar gar nicht effektiv.

Szenen des Vienna City Marathon

APA/Georg Hochmuth

Lebensstil beeinflusst Gene

Das passt zu schon bekannten Erkenntnissen: Je intensiver eine Sportart ist, desto effektiver ist sie. „Radfahren kostet nicht so viel Energie, weil man dafür nur die Beine benötigt, und durch Schwimmen nehmen viele Leute nicht ab, weil sie nach dem kalten Wasser Hunger haben und besonders viel essen“, erklärt Wan-Yu Lin. Radfahren und Schwimmen sind deshalb nicht so hilfreich wie Joggen.

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Laufen ist aber nur gut, wenn man es richtig ausführen kann. „Fettleibige Personen können nicht in der Intensität laufen, die nötig wäre um abzunehmen“, betont Piero Lercher. „Sie machen sich damit kaputt, weil ihr Gewicht beim Laufen auf die Gelenke kracht.“

Das Forschungsteam aus Taiwan hat seine Versuchspersonen aus einer Gendatenbank ausgewählt, weil Gene Dickleibigkeit begünstigen können. „Ungefähr 25 Prozent der Bevölkerung haben diese Risikogene“, sagt Wan-Yu Lin. Sie sind allerdings fast nie allein verantwortlich für Übergewicht. „Es ist meistens eine Kombination aus dem, was vererbt wird, und aus Essens- und Bewegungsverhalten“, erklärt Sportarzt Piero Lercher. Der Lebensstil kann zu bis zu 70 Prozent beeinflussen, wie viele der Risikogene aktiv sind, sagt Lercher. Rauchen, einseitige Ernährung und zu wenig Bewegung wirken sich besonders negativ aus.

Mehrere dicke Chinesen zeigen in einem Schwimmbecken den Daumen nach oben

AP

Sport als Medizin

Was kann man nun gegen Übergewicht tun, wenn man genetisch veranlagt ist, schneller zuzunehmen? Eine angepasste Ernährung hilft und – wie die Studie richtig sagt – Sport. Nicht immer ist Joggen allerdings die beste Maßnahme zu Beginn. Piero Lercher empfiehlt übergewichtigen Menschen schonende Sportarten wie Walken oder Wandern. Wandern sollten Übergewichtige vor allem bergauf, bergab hingegen lieber den Lift benutzen, weil das zu belastend für die Gelenke ist.

Beim Sport komme es auf die Dosis an, so Lercher. „Ich muss Sport wie ein Medikament dosieren. Nur dann gibt es wirklich Gesundheitseffekte.“ Ratsam wäre daher ein Test vor Beginn des Trainings. Denn es gibt Menschen, die eine Krankheit haben und deshalb übergewichtig sind.

Als Einstiegsprogramm eignet sich ein ruhiger Rhythmus: maximal zwei Stunden Sport in der Woche und das gleichmäßig auf mehrere Tage verteilt. „Man sollte Sportarten aussuchen, die zu einem passen“, sagt Piero Lercher. Wem schnell schwindelig ist, für den ist Radfahren auf dem Ergometer gut, und bei Rückenschmerzen geht zum Beispiel Schwimmen – letzteres sei besonders „toll, da können sich selbst fettleibige Menschen schwerelos fühlen.“

Marie Eickhoff, science.ORF.at

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