Macht Luftverschmutzung depressiv?

Luftverschmutzung schädigt das Herz, die Atemwege – und möglicherweise auch das Gehirn, wie Statistiken aus den USA und Dänemark zeigen: Depressionen und bipolare Störungen häufen sich offenbar in Regionen mit schlechter Luft.

Großstädte wie Neu-Delhi, Peking und Los Angeles kämpfen jährlich mit dem Smog. Nicht nur Großstädte sind betroffen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben mittlerweile über 91 Prozent aller Menschen in Regionen mit schlechter Luft, geschätzte 4,2 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen von Luftverschmutzung.

Stickoxide von Autoabgasen, Feinstaub und Ozon könnten aber auch die geistige Gesundheit beeinflussen. Darauf weist jetzt eine großangelegte Studie hin, bei der die Gesundheitsdaten über 152 Millionen Menschen aus den USA und Dänemark untersucht – und mit der Luftqualität in Beziehung gesetzt wurden. Das Fazit: In den Regionen mit der schlechtesten Luftqualität häuften sich auch psychische Erkrankungen.

Smog: Mann blickt über Skyline von L.A.

GABRIEL BOUYS / AFP

Smog über Los Angeles

Besonders stark war der Zusammenhang, wenn die Betroffenen mit schlechter Luft aufgewachsen waren: In diesem Fall traten bipolare Störungen um 30 Prozent häufiger auf, Depressionen waren sogar um 50 Prozent häufiger. Da auch Wohlstand und andere Umweltfaktoren einen Einfluss haben können, haben die Forscher diese Größen herausgerechnet.

Partikel könnten ins Gehirn wandern

Studienautor Andrey Rzhetsky von der University of Chicago weist im Interview mit science.ORF.at darauf hin, dass man erst einen Zusammenhang – aber noch keine klare Ursache - beobachtet habe. Dass Luftverschmutzung psychische Erkrankungen auslöst, sei also noch nicht bewiesen.

Plausibel wäre es dennoch: Denn verschmutzte Luft führt laut Tierversuchen zu Nervenschäden und Entzündungen im Gehirn und äußert sich in depressiven Symptomen. Rzhetsky und sein Team halten es für möglich, dass Schmutzpartikel über die Atemwege oder die Nase ins Blut und dann ins Gehirn gelangen, wo sie schließlich zu psychischen Erkrankungen führen könnten.

Die Resultate überraschen Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien nicht. Es sei bekannt, dass bestimmte Luftschadstoffe Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem haben, so der Umweltmediziner. Beispielsweise wurden Luftschadstoffe schon mit Demenz oder verminderter Denkleistung in Verbindung gebracht. Um herauszufinden, welche von den 87 in der US-Studie untersuchten Luftschadstoffe dafür verantwortlich sind, brauche es weitere Untersuchungen.

In Österreich hat sich jedenfalls die Belastung durch bestimmte Luftschadstoffe in den letzten Jahren verringert. „Bei anderen Schadstoffen“, wie beispielsweise Feinstaub und Stickoxiden, „sind wir aber sicher noch nicht im optimalen Bereich“, sagt der Umweltmediziner.

Pablo Graf Ancochea, science.ORF.at

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