Hepatits C Virus Bild – grafische Illustration
Getty Images/Roger Harris/Science Photo Library
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Medizinnobelpreis

Für Entdecker des Hepatitis-C-Virus

Für ihre Entdeckungen, die zur Identifikation des Hepatitis-C-Virus geführt haben, bekommen Harvey J. Alter (USA), Michael Houghton (Großbritannien) und Charles M. Rice (USA) den heurigen Medizinnobelpreis. Das gab das Nobelpreiskomitee am Montag in Stockholm bekannt.

Die drei Preisträger hätten entscheidende Beiträge im Kampf gegen „ein großes Gesundheitsproblem geleistet, das bei Menschen weltweit Leberzirrhose und Leberkrebs verursacht“, wie es in der Urteilsbegründung zum Medizinnobelpreis 2020 heißt.

Alter, Houghton und Rice machten Entdeckungen, die zur Identifizierung eines neuen Virus führten, des Hepatitis-C-Virus. Hepatitis A und B waren schon vorher bekannt, konnten die Mehrheit der Hepatitis-Fälle aber nicht erklären. Mit der Entdeckung des Hepatitis-C-Virus wurden Blutuntersuchungen sowie neue Medikamente ermöglicht, die Millionen von Menschenleben gerettet hätten.

Harvey Alter, Michael Houghton und Charles Rice werden bei der Bekanntgabe der Medizinnobelpreisträger an die Wand projiziert
AFP – JONATHAN NACKSTRAND
Bei der Bekanntgabe der Medizinnobelpreisträger am Karolinska-Institut in Stockholm

Im Jahr des Coronavirus ist die Erinnerung an Hepatitis C besonders relevant. Das Nobelpreiskomitee-Mitglied Patrick Ernfors zog deshalb auch Parallelen zur fieberhaften Suche nach Mitteln, um die aktuelle Pandemie zu bekämpfen. „Als Erstes muss man das verursachende Virus identifizieren“, so Ernfors, „dann kann man Medikamente und Impfungen entwickeln.“

400.000 Todesfälle jährlich

Nachdem Ende der 1960er Jahre Baruch Blumberg das Hepatitis-B-Virus entdeckt hatte – eine Leistung, für die er 1976 den Medizinnobelpreis erhielt -, konnte allerdings weiter lediglich ein Teil der über das Blut weitergegebenen schweren und chronischen Lebererkrankungen nicht erklärt werden, hieß es. Erst die Erkenntnisse, an denen die drei heuer ausgezeichneten Wissenschaftler maßgeblich beteiligt waren, konnten aufklären, woher die Erkrankungen rührten. Davor grassierte die Erkrankung, mit der auch heute laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch über 70 Millionen Menschen zu kämpfen haben, ungehindert. Pro Jahr gibt es geschätzte 400.000 Hepatitis-C-Tote.

Lange Zeit rätselhaft

Der 1935 in New York geborene Harvey J. Alter begann an den National Institutes of Health (NIH) das Auftreten der mysteriösen Krankheit bei Menschen zu studieren, die zuvor Bluttransfusionen erhalten hatten. An der dortigen Abteilung für Transfusionsmedizin zeigte er, dass viele der Infektionen nicht von den bisher bekannten Viren ausgelöst wurden. Gleichzeitig war klar, dass durch Blutgaben zu dieser Zeit viele Menschen mit dem Erreger infiziert wurden, der in der Folge zu der nicht heilbaren Erkrankung führte, die schlussendlich Leberzirrhose oder -krebs auslösen kann. Alter konnte in den späten 1970er Jahren zeigen, dass der vermutliche Viruserreger durch die Verabreichung von Blut auf Schimpansen übertragen wird. Seine Erkenntnisse führten zu der Bezeichnung „Non-A, non-b“-Hepatitis.

Über ein Jahrzehnt entzog sich das Virus jedoch dem wissenschaftlichen Zugriff. Dann kam Michael Houghton ins Spiel: Er stammt aus Großbritannien, wo er am King’s College in London auch seinen Doktor machte. Ende der 1980er Jahre steuerte er seine bahnbrechenden Arbeiten im Dienste des US-Pharmaunternehmens Chiron bei. In Kleinarbeit und unter Einsatz von damals neuen molekulargenetischen und immunologischen Methoden suchte er nach Erbgutspuren des unidentifizierten Virus in Proben von Schimpansen und Menschen. Schlussendlich fanden der seit 2010 an der Universität Alberta in Kanada als Virologe tätige Wissenschaftler und Kollegen die Ribonukleinsäure (RNA) eines neuen Virus aus der Flaviviren-Gruppe, das fortan Hepatitis C genannt wurde.

Verschiedene Stadien einer kranken Leber
nobelprize.org

Genaue Bluttests möglich

Den Nachweis, dass ein Klon des gefundenen Virus auch die so oft beobachteten Erkrankungen auslöste und wie sich der Erreger vermehrt, lieferte dann der 1952 in Sacramento im US-Bundesstaat Kalifornien geborene dritte Preisträger, Charles M. Rice. Er baute an der Washington University School of Medicine in St. Louis eine Forschergruppe auf und wurde dort 1995 Professor. Seit 2001 arbeitet er an der Rockefeller Universität in New York, wo er bis 2018 Leiter des Zentrums für Hepatitis-C-Forschung war. Aufgrund seiner Arbeit wurden die bis dahin nicht eindeutig erklärbaren Infektionen eindeutig dem neuen Virus zugeordnet.

So konnte die Übertragung über Blutpräparate zuerst durch ausreichend genaue Tests eingedämmt werden. Die Entdeckungen führten in der Folge auch zur raschen Entwicklung von Medikamenten gegen das Hepatitis-C-Virus, heißt es in der Urteilsbegründung. Für Gunilla Karlsson Hedestam vom Karolinska-Institut in Stockholm haben Alter, Rice und Houghton „das Fundament geliefert, um den Kampf gegen das Virus zu beginnen“. Sie hätten der Welt die Hoffnung beschert, die Krankheit zu kontrollieren und möglicherweise auch zu eliminieren.

Aus dem Bett geholt

Zwei der frischgebackenen Medizinnobelpreisträger mussten von der Nobelversammlung des Karolinska-Instituts erst wach geklingelt werden. „Als ich sie einmal erreicht habe, waren sie extrem überrascht und wirklich glücklich und fast sprachlos“, sagte Thomas Perlmann von der Nobelversammlung über den Moment, als er die beiden Amerikaner Alter und Rice telefonisch erreichte und ihnen von ihrer Auszeichnung berichtete. Es habe großen Spaß gemacht, mit ihnen zu sprechen. Manchmal werden die Preisträger direkt während der Bekanntgabe angerufen, diesmal jedoch nicht.

Dotiert mit 950.000 Euro

Dotiert ist der Nobelpreis in diesem Jahr mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 950.000 Euro) pro Kategorie – das ist eine Million mehr als im Vorjahr.

2019 hatten die US-Amerikaner William Kaelin und Gregg Semenza sowie der Brite Peter Ratcliffe die Auszeichnung für ihre Entdeckung molekularer Mechanismen erhalten, mit denen Zellen den Sauerstoffgehalt wahrnehmen und sich daran anpassen.

Nach dem Medizinnobelpreis werden in den kommenden Tagen auch die Preisträger in Physik, Chemie, Literatur, Frieden und Wirtschaft bekanntgegeben.