Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
Klimakrise

Lachgas gefährdet Klimaziele

Der weltweite Ausstoß des Treibhausgases Distickstoffmonoxid – bekannt auch als Lachgas – steigt. Verantwortlich dafür ist vor allem der zunehmende Einsatz von Stickstoffdünger in der Landwirtschaft. Wie ein internationales Forschungsteam nun berichtet, könnte das die Pariser Klimaziele gefährden.

Lachgas (N2O) ist als Treibhausgas 300 Mal so stark wie Kohlendioxid (CO2) und verbleibt mehr als 100 Jahre in der Atmosphäre. Das heißt, ein Kilogramm Distickstoffmonoxid in der Atmosphäre wirkt in dieser Zeit wie 300 Kilo CO2. Wie ein internationales Team von Forscherinenn und Forschern nun in einer Studie zeigt, ist die Lachgaskonzentration seit dem Jahr 1750 – sprich seit der vorindustriellen Zeit – um zwanzig Prozent gestiegen. Den größten Anstieg gab es in den vergangenen 50 Jahren. „Die Emissionen werden jedes Jahr etwas mehr. Allein zwischen den 1980er Jahren und 2016 haben die Lachgasemissionen um zehn Prozent zugenommen“, erklärt der Klimaforscher und Studien-Koautor Wilfried Winiwarter vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse in Laxenburg bei Wien.

Richtung drei Grad plus

Ursache für diesen Anstieg ist wie bei den CO2-Emissionen der Mensch. Zwar entweicht mit 9,7 Millionen Tonnen das meiste Lachgas aus natürlichen Quellen wie Böden und Ozeanen. Mit 7,3 Millionen Tonnen pro Jahr liegen die durch den Menschen verursachten Emissionen aber nur noch knapp dahinter. „Damit gelangt wesentlich mehr Lachgas in die Atmosphäre, als durch natürliche Prozesse in der Atmosphäre zerstört werden kann", sagt Winiwarter. Insgesamt ist Lachgas das drittwichtigste freigesetzte Treibhausgas (sieben Prozent), hinter Methan (20 Prozent) und CO2 (70 Prozent), so die neuen Berechnungen der Forscher.

Wie sie zeigen, gefährdet Lachgas das Ziel, die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad Celsius zu stoppen. „Bisherige Modelle haben den Anstieg an Lachgasemissionen unterschätzt – auch in den Szenarien, die zu einem globalen Temperaturanstieg von drei Grad und mehr führen.“ Abgesehen weisen die Forscher auf eine weitere Wirkung von Lachgas hin. "Lachgas greift in der Stratosphäre die Ozonschicht an, was in den nächsten Jahrzehnten zum Problem werden könnte.“

Hauptursache: Dünger in der Landwirtschaft

Eine naheliegende Lösung wäre, den Lachgasausstoß in Landwirtschaft und Industrie zu reduzieren. Das ist aber leichter gesagt als getan, betont der Klimaforscher Winiwarter. Hauptmotor bei den anthropogenen Emissionen ist nämlich die Landwirtschaft bzw. der Einsatz von Stickstoffdüngern, der entweder in Form von Gülle und Mist oder als Kunstdünger das Pflanzenwachstum ankurbeln soll. „Wir müssen düngen, um die Menschen weltweit ernähren zu können. Der anthropogene Lachgasausstoß kann also nicht auf null gesetzt werden. Im besten Fall schaffen wir es, die Emissionen bei steigender Nachfrage nach Nahrung und Futtermitteln anzuhalten und nicht weiter steigen zu lassen.“

Dafür müsste Dünger effizienter eingesetzt werden, als das derzeit der Fall ist. Weltweit wird nur 40 Prozent des zugeführten Stickstoffs von den gedüngten Pflanzen aufgenommen. 60 Prozent gehen verloren. Österreichs Landwirte und Landwirtinnen verwenden Stickstoff zwar wirkungsvoller mit einer Nutzeffizienz von 60 bis 70 Prozent, aber auch hier gibt es noch Luft nach oben, so Winiwarter. Wie viel überschüssiger Dünger ausgebracht wird, kann dabei einen erheblichen Unterschied machen. „Wir haben gesehen, dass die Lachgasemissionen überproportional steigen, je mehr überschüssiger Stickstoff eingesetzt wird.

Auch Industrie beteiligt

Spielraum gibt es auch noch in der Industrie. Hier wird Lachgas vor allem bei der Produktion von Salpetersäure und Adipinsäure freigesetzt. Salpetersäure wird für die Herstellung von Düngemitteln und Sprengstoffen benötigt. Adipinsäure braucht man wiederum für die Nylonproduktion. Durch technische Anpassungen in den Anlagen hat sich seit den 1990er und 2000er Jahren zwar einiges verbessert, global sind aber noch nicht alle Anlagen auf dem neuesten Stand, erklärt Winiwarter. „In Europa sind alle Salpetersäure-Anlagen modernisiert. Global tragen sie aber immer noch bedeutend zu den Lachgasemissionen bei.“

Da der Lachgasausstoß laut den Forscherinnen und Forschern nur sehr begrenzt minimiert werden kann, bedeutet das im Umkehrschluss: Es muss noch mehr CO2 und Methan reduziert werden als bisher angenommen. „Sieht man sich an, wie viel Treibhausgase bis zum Ende des Jahrhunderts noch ausgestoßen werden dürfen, um das Pariser Klimaziel von 1,5 Grad zu erreichen, entfällt ein Drittel dieser Menge allein auf Lachgas.“

Weniger Fleisch, mehr Hülsenfrüchte

Noch nicht einberechnet wurden hier aber zwei weitere Faktoren, die weniger Stickstoffdünger erforderlich machen. Dazu zählt einerseits die Reduktion von Fleisch, Milch, Eiern und anderen tierischen Lebensmitteln und mehr Konsum von pflanzlichen Eiweißquellen. „Die Herstellung von Futtermitteln bindet wesentlich größere Ressourcen, als wenn man Nahrungsmittel direkt für den Menschen herstellt. Das wird für künftige Forschungsarbeiten ein wichtiges Thema bleiben.“

Abgesehen davon könnte auch Bioanbau Stickstoffdünger reduzieren helfen, indem beispielsweise Hülsenfrüchte angebaut werden. Soja, Ackerbohnen und Erbsen binden Stickstoff aus der Atmosphäre und führen ihn auf natürliche Weise dem Boden zu, wovon Getreidepflanzen beispielsweise profitieren können. Aber auch das könnte den Düngerverbrauch nur teilweise ersetzen, meint Winiwarter. „Biolandbau benötigt mehr Fläche, um dieselbe Menge an Lebensmittel zu produzieren. Es ist fraglich, ob global die Fläche zur Verfügung steht.“