Kinder mit Schultaschen vor einer Volksschule
APA/HELMUT FOHRINGER
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Schul-Cluster bleiben die Ausnahme

In Israel sollen die Schulöffnungen stark zum Anstieg der Coronavirus-Infektionen beigetragen haben. Könnte das auch für andere Länder gelten? Nicht unbedingt: In Österreich zeigen die Daten in eine andere Richtung. Schul-Cluster bleiben hier die Ausnahme.

Ein Bericht des israelischen Gesundheitsministeriums kam diese Woche zu dem Schluss, dass sich viele Kinder in der Schule anstecken und sich diese Schul-Cluster in den Familien und Gemeinschaften ausbreiten würden. Seit Schulbeginn im September habe man einen stärkeren Anstieg bei den 9- bis 17-Jährigen beobachtet. Eine Entwicklung, die man in anderen Ländern nicht beobachten könne, sagt Volker Strenger, Kinderpulmologe an der Medizinischen Universität Graz. Auch in Österreich spiele die Schulöffnung im Herbst keine nennenswerte Rolle für das Infektionsgeschehen.

Kinder stecken sich weniger oft an

In Österreich gibt es 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler. Nicht einmal 0,2 Prozent der 6- bis 19- Jährigen wurden vergangene Woche positiv auf das SARS-Coronavirus-2 getestet. Das decke sich mit Erhebungen aus anderen Ländern, wie Australien, Deutschland oder England, sagt Strenger. „Eine Metaanalyse, die 30 internationale Studien zusammenfasst, zeigte beispielsweise, dass Kinder nicht nur weniger oft an Covid erkranken, sie stecken sich auch weniger oft an und können deswegen gar keine große Rolle für diese Pandemie spielen“, so Strenger gegenüber science.ORF.at.

Eine weitere Studie, die vor kurzem in „Science“ erschien und die Situation in Indien untersuchte, zeigt ebenfalls, dass Kinder nicht per se zu den Superspreadern gehören, sondern eher andere in ihrer Altersgruppe anstecken. Volksschüler stecken also eher Volksschüler an, Jugendliche wiederum andere Jugendliche. „Die Studie zeigt auch, dass eher die jungen Erwachsenen das Virus verbreiten, nicht aber Kinder“, so Strenger.

Maßnahmen in Schulen wirken

Dass Kinder also unerkannt viele andere anstecken würden, weil sie selbst keine Symptome haben, sei wissenschaftlich nicht belegt. Wie ansteckend einzelne Kinder sind, könne man allerdings nur schwer sagen, so Strenger. „Es geht ja nicht nur um die Viruslast im Rachen, die man messen kann, sondern auch um die Ausscheidung“, so der Kinderpulmologe. Da Kinder ein geringeres Atem- und Hustvolumen haben als Erwachsenen, können sie auch weniger ausscheiden. „Das zu beweisen und zu untersuchen ist aber schwer“, ergänzt Strenger.

Über die Situation in Israel könne man nur spekulieren, meint Strenger. Die könnte mit anderen Unterrichtsformen zusammenhängen, etwa Ganztagsschulen, wo die Kinder auch gemeinsam essen und spielen. In Österreich scheinen die Sicherheitsmaßnahmen im Unterricht zu wirken: Hier zeigen die Analysen der AGES, dass nur drei Prozent aller Cluster mit Bildungseinrichtungen assoziiert sind.

Nur leichter Anstieg bei Infektionen

Seit Beginn des Semesters sind die Infektionszahlen bei den 6- bis 19-Jährigen nur leicht angestiegen. Und die Analysen zeigten auch, dass es sich bei den Indexfällen an den Schulen mehrheitlich um Lehrerinnen und Lehrer handle, sagt Martin Netzer, Generalsekretär im Bildungsministerium. „Das, was im vergangenen Semester im Vordergrund stand, nämlich man müsse die Lehrer vor den Schülern schützen, gilt so nicht mehr“, so Netzer.

Mittlerweile wisse man, dass die Lehrkräfte in der Schule ein größeres Risiko darstellen als die Schülerinnen und Schüler, wenn es um die Indexfälle geht. Aber auch das sei nicht besonders groß, so Netzer weiter. Bis jetzt gilt an den österreichischen Schulen: je jünger die Schülerinnen und Schüler, desto niedriger die Fallzahlen. Die meisten Fälle verzeichne man bei den 15- bis 19-Jährigen, so Netzer. Die Ansteckung erfolge aber fast immer außerhalb der Schule.

Schulen sollen offen bleiben

Das Risiko für Schulkinder, sich im Haushalt zu infizieren, sei wesentlich höher, als jenes, sich in der Schule anzustecken, heißt es vom Bildungsministerium. „Wir sehen vor allem bei den 15- bis 19-Jährigen sehr deutlich, dass das Ansteckungsrisiko im Freizeitbereich mindestens so hoch ist wie im Schulbereich, eher höher“, sagt Netzer.

Derzeit liefern die Infektionszahlen und Clusteranaylsen der AGES keine Anhaltspunkte, dass sich Schulschließungen positiv auf das Infektionsgeschehen auswirken würden. Eher im Gegenteil: Der strukturierte Alltag und die Sicherheitsvorkehrungen im Klassenzimmer verhindern, dass sich junge Menschen womöglich bei privaten Begegnungen anstecken.