Blick aus einem Hubschrauber auf Windräder, während eines Flugs an die österreichisch-ungarischen Grenze im Burgenland
APA/GEORG HOCHMUTH
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Energiewende

Warum es „Energielandschaften“ braucht

2030 sollen 100 Prozent des österreichischen Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen. Zudem will die Bundesregierung die Kapazität, Wasserstoff herzustellen, erhöhen. Bis zu 1.500 neue Windräder werden dafür nötig sein. Sie werden das Landschaftsbild stark verändern – und das wird vielen nicht gefallen. Die „Energielandschaften“ sind für die ambitionierten Klimaziele aber nötig, sagen Fachleute.

„Wir müssen die Energiewende in die Landschaft bringen“, sagt Thomas Schauppenlehner vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung der Universität für Bodenkultur Wien. Mit Solaranlagen auf Dächern und Parkplätzen allein könnten wir unseren Energiebedarf nicht decken. „Jeder hätte gern die Photovoltaik auf Dächern oder über Parkplätzen. Aber es geht sich schlicht nicht aus, zumindest nicht bis 2030.“

Ziele bis 2030

In acht Jahren sollen 100 Prozent des Stroms zumindest bilanziell aus erneuerbaren Quellen kommen, das sieht das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) vor. Um es zu erreichen, muss die Produktion um 27 TWh erhöht werden. Davon sollen elf TWh auf Photovoltaik (PV), zehn TWh auf Wind, fünf TWh auf Wasserkraft und ein TWh auf Biomasse entfallen. Die kürzlich von der Regierung präsentierte Wasserstoffstrategie strebt eine Elektrolyse-Leistung von einem GW bis 2030 an. Dafür braucht es zusätzliche fünf TWh Strom. Beträchtliche Mengen, denn der aktuelle österreichische Stromverbrauch liegt bei rund 74 TWh.

Die Energiewende in der Praxis

Um die selbstgesetzten Ziele bis 2030 zu erreichen, müssen beispielsweise rund eintausend Windräder gebaut werden. Will man auch den Wasserstoff mit Windenergie erzeugen, bräuchte es dafür ebenfalls rund 500 Windräder. Das seien Durchschnittswerte, betont Thomas Schauppenlehner. Je größer die Windräder, desto leistungsstärker sind sie. Derzeit werden beispielsweise viele Windkraftanlagen einem Repowering unterzogen, sprich modernisiert. Denn moderne Anlagen schaffen mehr Leistung als alte.

Was die angestrebte Stromproduktion durch Photovoltaikanlagen betrifft, könnte man zirka die Hälfte der Anlagen auf Dächern unterbringen, sagt Thomas Schauppenlehner, der gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen das Potenzial für Dachphotovoltaik in Österreich berechnet hat. Zwar gebe es rund vier Millionen Gebäude in Österreich, doch nicht jedes Dach sei geeignet. Man müsse Dachausrichtung, Kamine, Aufbauten und auch den Denkmalschutz beachten.

Windkraftanlagen in Österreich gemäß Abfrage der OpenStreetMap. Stand: Juni 2022.

Umkämpfte Flächen

Um die Photovoltaik-Ziele bis 2030 zu erreichen, müsste die Hälfte der Leistung auf der Fläche untergebracht werden, berichtet der Forscher. Konflikte sind programmiert, denn Österreichs Landschaft ist bereits heute gut genutzt. Gleichzeitig müsse man die dafür benötigte Fläche auch in Relation zu anderen Nutzungen sehen, sagt Schauppenlehner. Für rund fünf TWh Photovoltaikanlagen bräuchte man zwischen 9.000 und 12.000 Hektar, 100.000 Hektar würden in Österreich derzeit für den Biomasse-Anbau genutzt. „Wenn ich an einem Maisfeld vorbeifahre, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das eine Energiepflanzen ist, es sich also um ein Energiefeld und kein Lebensmittelfeld handelt.“

Ausbau beginnt gerade erst

Auf zwei Prozent der Landesfläche könnte man mit Windrädern mehr Strom erzeugen als Österreich derzeit verbraucht, betont man bei der IG Windkraft. Die Flächen um die Windräder könne man sogar weiterhin landwirtschaftlich nutzen, nur die Flächen der Fundamente werden der Natur entzogen. Um die Ziele für 2030 zu erreichen, müssten die Bundesländer endlich Flächen für Windenergie ausweisen, fordert die Interessensvertretung. Zudem müssten die Genehmigungsverfahren schneller werden.

Schneller werden muss auch der Photovolatikausbau. Das Wachstum ist zwar größer als erwartet und die Branche sehr ausgelastet, heißt es von Seiten des Bundesverbands Photovoltaic Austria. Um die Ziele für 2030 zu erreichen, muss der jährliche Zubau in den kommenden Jahren aber noch weiter gesteigert werden. Der Anteil an Freiflächen-Anlagen liege derzeit bei rund zehn Prozent.

Energieverbrauch muss reduziert werden

Die Ziele, die derzeit am Tisch liegen, sind nur die Zwischenziele bis 2030. Um vollständig klimaneutral zu werden, wird sich der Strombedarf Österreichs deutlich erhöhen. Würde man diesen Bedarf nur mit PV-Anlagen decken wollen, bräuchte man dafür fünf Mal die Fläche von Wien, sagt Thomas Schauppenlehner. Die Energiewende sei daher nur machbar, wenn weniger Energie verbraucht wird. „Wenn wir die benötigte Fläche mit unserem aktuellen Lebensstil und Energieverbrauch hochrechnen, dann müssen wir feststellen, das geht sich nicht aus, vor allem, wenn wir jetzt schon um jedes Windrad und jede Photovoltaikanlage streiten.“

Landschaftsbild wird sich verändern

Mehr Energieeffizienz und weniger Energieverbrauch seien für die Energiewende zentral, ebenso wie die Einbindung der Bevölkerung. „Die Energiewende muss zu unserem Projekt werden“, so Schauppenlehner. Denn das Landschaftsbild wird sich durch die Energiewende verändern. Eine Veränderung, an der sich schon jetzt viele stoßen. Gleichzeitig sei das Landschaftsbild einem permanenten Wandel unterzogen, denn schon immer habe der Mensch die Landschaft für seine Zwecke genutzt, sagt der Forscher.