Veganismus – eine Ersatzreligion?

Vegan oder vegetarisch zu leben liegt im Trend. Mittlerweile geben neun Prozent der Österreicherinnen und Österreicher an, kein Fleisch zu essen. Tendenz steigend. Eine Entwicklung, die auch Kritiker auf den Plan ruft: Sie sprechen vom „Veggie-Wahn“.

In Österreich erschien vor Kurzem unter dem Titel „Veggie-Wahn“ ein sehr umstrittenes Buch. Der Autor Ulrich Neumeister formuliert darin eine Abrechnung mit dem Gemüse. Jedenfalls geht er hart ins Gericht mit der reinen Pflanzennahrung, er sei dadurch krank, sein ganzer Verdauungstrakt zerstört worden.

Neumeister wurde eigenen Angaben zufolge in Deutschlands Vegetarierszene groß. Eine seiner beiden Großmütter sei eine der Pionierinnen der frühen Vegetarierbewegung gewesen. Hauptkritikpunkt seines Buches ist die Überhöhung der vegetarischen Lebensweise, die auch zu gesundheitlichen Problemen, vor allem bei Kindern im Wachstum, führen könne. „Den Vegetarismus infrage zu stellen ist ein ähnlicher Tabubruch, wie einem Christen seinen Glauben auszureden“, so Neumeister. Er kritisiert, dass vegan und vegetarische lebende Erwachsene oftmals eine sehr einseitige Sicht der Dinge hätten.

„In der Regel haben sie 30 Jahre lang Fleisch gegessen und sind zu gesunden Erwachsenen geworden. Und dann essen sie plötzlich nur noch Müsli, Körner und Gemüse und sagen, dass es ihnen saugut gehe. Das ist genau genommen Betrug, weil sie nicht über langfristige Auswirkungen nachdenken“, so Neumeister.

These: Ohne tierische Nährstoffe geht es nicht

Seine These ist, dass der Mensch zumindest ab und zu tierisches Eiweiß, vor allem aber tierisches Fett benötige. Ihm gehe es darum aufzuzeigen, dass die Verteufelung der tierischen Nahrungsmittel so, wie sie heute stattfinde, nicht korrekt sei. Aus seiner Sicht sei es ein Faktum, dass der Mensch hin und wieder ein Steak, ein Schnitzel oder eine Leberwurst essen sollte.

Aber hat er damit recht? Aus Sicht von Petra Rust, Ernährungswissenschaftlerin der Universität Wien, nur bedingt. Es spreche nichts gegen eine vegetarische Ernährungsweise, bei der regelmäßig Milchprodukte und Eier konsumiert werden. Allerdings - und da stimmt sie Neumeister zu – könne eine rein vegane Ernährungsweise, die weder Fleisch und Fisch noch Käse und Eier zulässt, kritisch werden.

Untersuchungen hätten gezeigt, dass vegan Lebende, insbesondere Kinder, Schwangere und Stillende eher dazu neigen, Nährstoffmängel zu entwickeln - im Vergleich zu jenen, die eine abwechslungsreiche Mischkost konsumieren. Vor allem hätten viele Veganer einen Vitamin-B12-Mangel, der sich erst nach Jahren zeigen kann. Und das könne wiederum bei Kindern zu Fehlentwicklungen führen - körperlich wie geistig. Ernährungsweisen, die darauf angewiesen sind, dass man zusätzlich zur normalen Ernährung Vitamine oder Mineralstoffe schlucken muss, sind aus ihrer Sicht abzulehnen.

Mischkost – der goldene Mittelweg

Aus wissenschaftlicher Sicht, so Rust, müsse man einfach sagen - auch wenn das sehr jetzt sehr unspektakulär klinge -, dass eine Mischkost mit etwas Fleisch und Fisch und viel Gemüse für das Säugetier Mensch noch immer die vernünftigste Ernährungsweise sei. „Ich glaube, es ist gerade sehr schick, sich für vegetarische oder vegane Ernährung zu interessieren. Man versucht, die Ernährung hier ein bisschen zur Ersatzreligion zu machen“, so Rust.

Und der Trend hin zur veganen Lebensweise sei auch noch ein gutes Geschäft. In Österreich boomt der Verkauf von Fleischersatzprodukten seit Jahren, Ähnliches gilt für die Umsätze bei Sojadrinks und anderen Alternativen zur Kuhmilch: 2014 betrug der landesweite Umsatz 25 Millionen Euro - 2015 waren es bereits knapp 30 Millionen.

Gudrun Stindl, Ö1 Wissenschaft

Mehr zum Thema