Warum wir in neuer Umgebung schlecht schlafen

Die erste Nacht in einem fremden Bett endet meist mit wenig Schlaf. Warum, haben nun japanische Forscherinnen geklärt: Während die eine Gehirnhälfte schläft, befindet sich die andere im Alarmzustand – und „passt auf“, dass nichts passiert.

Ein Zustand, der von manchen Meeresbewohnern und Vögeln bekannt ist. Bei ihnen ist es normal, dass sie nur mit einer Gehirnhemisphäre schlafen, während die andere vor sich hin dämmert und auf mögliche Gefahren reagieren kann.

„Unser Gehirn hat eine Minivariante von dem, was Wale und Delfine haben“, sagt die Studienautorin und Schlafforscherin Yuka Sasaki von der Brown University.

„First-Night-Effect“

„First-Night-Effect“ heißt das Phänomen in der einschlägigen Literatur: Bekannt ist es allen, die am ersten Tag im Urlaub nicht so recht einschlafen oder neben dem neuen Partner bzw. der neuen Partnerin kein Auge zudrücken können. Die ungewohnte Situation bringt das Gehirn durcheinander – und das ist auch ein Grund, warum Schlafforscher die Ergebnisse ihrer Schützlinge aus der ersten Nacht üblicherweise nicht berücksichtigen.

In der aktuellen Studie war das hingegen schon der Fall. Denn sie interessierte sich genau für dieses Durcheinander der ersten Nacht. „Ein japanisches Sprichwort sagt: ’Wenn man den Kopfpolster wechselt, kann man nicht schlafen“, so Sasaki. Unter ihrer Obhut wechselten die 35 Studienteilnehmer nicht nur den Kopfpolster, sondern mussten im Dienste der Wissenschaft eine Reihe weiterer Unannehmlichkeiten über sich ergehen lassen: etwa die vielen Elektroden auf dem Kopf beim EEG und die Helmröhre des Magnetoenzefalografen.

Linke Gehirnseite: Ein wacher Wächter

Erstaunlich ist, dass Probanden unter solchen Umständen überhaupt schlafen können. Fakt ist aber: Sie tun es. Beim ersten Mal allerdings deutlich unruhiger als beim zweiten Mal. Grund dafür ist, dass die beiden Gehirnhälften in der ersten Nacht unterschiedlich arbeiten. Während die rechte Seite relativ normal schläft, bleibt ein bestimmtes neuronales Netzwerk auf der linken Seite im Tiefschlaf aktiv.

Bekamen die Studienteilnehmer in dieser Phase störende Töne zu hören, so wachten sie viel schneller auf als üblicherweise. Die linke Seite übt also eine Art Wächterfunktion aus, die vor möglichen Gefahren schützen soll. Und das stört nicht nur den Schlaf, sondern schon das Einschlafen. Denn je mehr Schwierigkeiten die Probanden beim Einschlafen hatten, desto unterschiedlicher waren ihre beiden Gehirnhälften aktiv.

Einer der Studienteilnehmer beim EEG mit zahlreichen Elektroden auf seinem Kopf

Michael Cohea/Brown University

Einer der Studienteilnehmer beim EEG

Aber: Diese Unterschiede verschwinden in der zweiten Nacht – bei den Versuchen, war das eine Woche nach der ersten der Fall – und dann schlafen die Teilnehmer ganz normal. „Das menschliche Gehirn ist sehr flexibel“, sagt deshalb Yuka Sasaki, die aber auch die Grenzen ihrer Studie betont: So habe man sich nur auf die erste Tiefschlafphase der Nacht konzentriert. Möglich sei es, dass die Wächterfunktion der linken Gehirnseite später auf die rechte übergeht oder dass sich die beiden abwechseln.

Letzteres hätte eine Parallele bei Walen und Delfinen. Wie sie genau aussieht, sei noch unklar, betont Studienmitautorin Masako Tamaki, ebenfalls von der Brown University. „Die Asymmetrie betrifft bei Meeressäugern aber größere Gehirnbereiche“, meint sie gegenüber science.ORF.at

Weitere Studien sollen hier Klarheit schaffen. Schon jetzt haben die Forscherinnen Tipps parat, wie man sich gegen den „First-Night-Effect“ wappnen kann: etwa den Kopfpolster aus dem japanischen Sprichwort mitbringen oder nur Hotelzimmer bereisen mit ähnlichem Mobiliar.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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