Kritik an Betreuung von Flüchtlingskindern

Rund 90.000 Menschen haben 2015 in Österreich Asyl beantragt, ein Drittel davon waren Kinder und Jugendliche. Ihre medizinische Versorgung ist lückenhaft, kritisieren Experten. Und: Diese Lücken schaden allen Kindern und Jugendlichen in Österreich.

Flucht belastet, und zwar nicht nur den Körper durch schlechte Ernährung und Schlafmangel, sondern auch die Psyche durch Stress und Verzweiflung. Umso wichtiger ist es, dass Kinder und Jugendliche in Lagern und Aufnahmezentren möglichst gut versorgt werden. Dort mangle es aber an allen Ecken und Enden, kritisiert der Kinderarzt und Präsident der Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, Klaus Vavrik.

Notwendig wären kinderärztliche, psychologische und psychotherapeutische Kompetenz, die Familien in Krisen- oder Traumasituationen brauchen.

Probleme wie unter der Lupe

Außerdem müssten die Informationen gebündelt werden, etwa in Form eines zentralen Datenregisters und eines Gesundheitspasses, den die Menschen bei allen weiteren Untersuchungen mitnehmen. Das sei nötig, „weil der Nachbehandler oft gar nicht weiß, was der erste gemacht hat“, sagt Vavrik im Ö1 Morgenjournal. „Die Menschen können es nicht berichten, man hat dann keine Ahnung über den Impfstatus, und Untersuchungen werden doppelt gemacht, was auch sinnlos ist.“

Ö1 Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1 Journale, 22.4., 8:00 Uhr.

Grundsätzlich bekommen Kinder und Jugendliche genauso wie Erwachsene spätestens mit dem positiven Asylbescheid eine E-Card. Aber auch hier gibt es Lücken, so Klaus Vavrik: „Wir hören, dass es oft Kinder schon in der Schule gibt, die keine Erstuntersuchung hatten und keine E-Card haben.“

In einer Notsituation dürfen auch Notprogramme sein, langsam wäre es aber an der Zeit, eine geregelte Versorgung aufzubauen. Und dabei wirken Flüchtlingskinder wie eine Lupe. Ihre Integration in das Gesundheitssystem macht Mängel sichtbar, mit denen auch hier geborene Kinder und Jugendliche zu kämpfen haben. Laut Berechnungen fehlen in Österreich 60.000 bis 80.000 Therapieplätze, in manchen Regionen warten Kinder und Jugendliche bis zu eineinhalb Jahre auf eine Ergo- oder eine Psychotherapie.

„Wenn wir das nicht schon in der Kindheit gut in den Griff kriegen, dann werden wir eine verlorene Generation produzieren und später chronisch kranke Erwachsene betreuen müssen. Und das kann in niemandes Sinn sein, weder der betroffenen Menschen noch der Volkswirtschaft“, sagt Vavrik.

Und das gilt nicht nur für Flüchtlingskinder, sondern für alle jungen Menschen mit Therapiebedarf in Österreich, so der Präsident der Liga für Kinder- und Jugendgesundheit.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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