Wie man das Klimaabkommen umsetzen könnte

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen, werden einzelne Maßnahmen nicht reichen. „Es braucht eine Systemveränderung“, meint die deutsche Volkswirtin Kora Kristof, „aber ohne grünes Diktat."

Angenommen wir schreiben das Jahr 2050. Das Einkommen ist nur wenig besteuert, dafür kosten Obst und Gemüse aus dem Ausland ebenso wie Milchprodukte oder Fleisch um ein Vielfaches mehr als heute. Städte und Wohnorte sind durch öffentliche Verkehrsmittel so miteinander verbunden, dass die meisten auf ihr Auto verzichten. Bahnfahren ist billig, fliegen dafür wesentlich teurer als heute.

Wie Klimaziele erreichen?

Zur Person

Kora Kristof ist Leiterin der Grundsatzabteilung des Umweltbundesamtes in Deutschland. Die Volkswirtschafterin habilitierte zu der Frage, wie gesellschaftliche Veränderungen erfolgreich gestaltet werden können.

So könnte es aussehen, wenn einige der Maßnahmen umgesetzt werden, die derzeit in Wissenschaft und Politik diskutiert werden. Letztere hat sich auf EU-Ebene nämlich zum Ziel gesetzt, bis 2050 den Treibhausgasausstoß um bis zu 95 Prozent zu reduzieren und erneuerbare Energie aus beispielsweise Wind und Sonne deutlich auszubauen. Eine schwierige Aufgabe.

Das meint auch die Volkswirtschafterin Kora Kristof vom Umweltbundesamt in Deutschland: „Wir leben in einer komplexen, dynamischen Welt und leider nicht in einer einfachen. Das betrifft auch den Klimawandel. Die größten Emittenten und zugleich globalpolitisch Mächtigsten sind nicht diejenigen, die unter den Folgen des Klimawandels leiden. Das macht es für diese Länder zur großen Herausforderung, konkrete Maßnahmen zu formulieren, weil man das Problem generell gut wegschieben kann.“

„Brauchen große Systemveränderung“

Doch letztlich geht es nicht nur darum, einzelne Maßnahmen zu setzen, meint Kristof, vielmehr fordert sie einen grundlegenden Systemwandel: „Wenn wir die Ziele des Klimaabkommens ernst nehmen, brauchen wir einen tiefgreifenden Umbau. Kleine Veränderungen in einzelnen Bereichen reichen nicht. Wir müssen andere Infrastrukturen – in der Produktion und im Verkehr sowie neue Konsummuster schaffen.“

Wie kann aber eine so große Veränderung gelingen? Dieser Frage widmet sich die Volkswirtschafterin, indem sie analysiert, was gesellschaftliche Veränderungsprozesse erfolgreich macht. „Wir müssen besser verstehen lernen, wie solche Prozesse funktionieren.“

Kein „grünes Diktat“

Ein „grünes Diktat“ der Politik, das alle Lebensbereiche streng reglementiert und vorgibt, was ökologisch korrekt ist und was nicht, ist für sie keine Lösung. „Damit kommt man nicht weit. Vielmehr muss man sehen, was an sozialen Initiativen bereits vorhanden ist. Das beginnt bei Car-Sharing, bürgerlicher Beteiligung an der Energiewende durch Bürgerwindgenossenschaften und geht bis hin zu Menschen, die vegetarisch oder vegan leben oder sich für alternative Formen des Konsums einsetzen. Solche Initiativen muss man stärken, damit diese Verhaltensweisen schließlich zum ‚Normalfall‘ werden.“

So könnte man in Kantinen einen vegetarischen oder veganen Tag pro Woche einführen, mehr Parkplätze für Car-Sharing zur Verfügung stellen oder die Möglichkeiten erweitern, um sich mit dem Rad fortbewegen zu können, ergänzt die Forscherin. „Ich muss aber natürlich vorerst die richtige Zielgruppe erwischen – in Österreich großflächig Vegetarismus durchsetzen zu wollen, wird nicht funktionieren.“

Maßnahme und Gegenmaßnahme

Veranstaltungshinweis

Kora Kristof hält am Donnerstag, den 12.5.2016 um 18:30 Uhr, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Mut zur Nachhaltigkeit" in Wien einen Vortrag zum Thema " Wege der Veränderung: Wie kann gesellschaftlicher Wandel erfolgreich werden?“. Veranstalter der Vortragsreihe ist das österreichische Umweltbundesamt.

Keine Förderung hingegen soll ökologisch und sozial schädliches Verhalten bekommen – im Gegenteil. „Ein großes Problem ist beispielsweise, dass die Preise für Lebensmittel und Co nicht die ökologische und soziale Wahrheit widerspiegeln. Das heißt, wir zahlen einfach nicht für die Probleme, die wir mit unserem Konsum verursachen. Würde man die schädlichen Wirkungen wie z.B. den CO2-Ausstoß, der durch lange und teilweise internationale Handelsketten entsteht oder den Wasserverbrauch, miteinberechnen, wäre das eine enorme Veränderung.“

Damit so etwas funktionieren kann, müsste eine solche Preisanpassung mit anderen Schritten einhergehen, wie beispielsweise durch eine Senkung der Einkommens- und Lohnsteuer. „Es wird darüber hinaus oft nicht gesehen, dass durch eine gesunde Umwelt langfristig viele Krankheiten vermieden werden könnten. Das würde wiederum Geldmittel frei machen.“

Geduld

Um ein System Schritt für Schritt mit Förderungen, Maßnahmen und Gegenmaßnahmen umzubauen, benötigt es aber viel Zeit – auch um gewisse Widerstände abzubauen, betont Kristof: „Bei gesellschaftlichen Veränderungen spielt das richtige Timing ebenso eine Rolle wie der lange Atem.“

Auch muss man allen Menschen die Möglichkeit geben, sich aktiv einzubringen, meint Kristof. „Manchmal muss man Politiker, Unternehmer, Gemeinden und andere Akteure auch konkret ansprechen, damit sie sich angesprochen fühlen.“

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

Mehr zum Thema: