Wolkenbildung: Aerosole ohne Schwefelsäure

Wolken entstehen aus winzigen Teilchen, an denen Wasser kondensiert. Dazu eignen sich Staub oder Ruß, aber auch Partikel aus Gasmolekülen. Bisher dachte man, dass dafür Schwefelsäure unerlässlich ist. Laut Forschern können auch natürliche Verbindungen als Geburtshelfer dienen.

Um zu verstehen, wie sich das Klima im Lauf der Geschichte verändert hat und welche Rolle menschliche Aktivitäten dabei spielen, muss man die derzeitigen Bedingungen mit jenen vor Beginn der Industrialisierung vergleichen können. Eine von vielen Fragen dabei widmet sich den Wolken, die Sonnenlicht reflektieren und so dem Aufheizen der Erde durch Treibhausgase entgegenwirken können.

In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler die Wolkenbildung Schritt für Schritt enträtselt. Eine Schlüsselrolle dabei spielen Kondensationskeime. Sie können durch natürliche Prozesse, etwa als Staub, Sand oder Salz, oder durch menschliche Aktivitäten, etwa Rußpartikel, in die Atmosphäre gelangen. Sie können dort aber auch neu aus Gasmolekülen gebildet werden.

Unerlässliche Schwefelsäure?

Wie diese „Nukleation“ genannte Neubildung funktioniert, wird im Experiment CLOUD (Cosmics Leaving Outdoor Droplets) am Europäischen Labor für Teilchenphysik CERN in Genf erforscht. In einem 26 Kubikmeter großen Edelstahltank können die Forscher gezielt verschiedene Atmosphärenbedingungen simulieren und die Bildung von Aerosolpartikel und Wolken unter präzise kontrollierbaren Bedingungen untersuchen. Selbst der Einfluss der kosmischen Strahlung lässt sich in dem Experiment nachvollziehen, das von einem internationalen Konsortium betrieben wird, an dem auch Wissenschaftler der Universitäten Wien und Innsbruck beteiligt sind.

Bisher ging man davon aus, dass für die Nukleation Schwefelsäure unerlässlich ist. Mit geringen Mengen von basischen Verbindungen wie Ammoniak und Aminen geht sie besonders starke Bindungen ein und selbst kleinste Konzentrationen dieser Stoffe reichen für eine hohe Neubildungsrate von Partikeln aus. Das ist insofern relevant, als eine höhere Zahl solcher Teilchen auch mehr Tröpfchen bedeuten, was die Eigenschaft von Wolken verändert.

Andere Geburtshelfer

Doch Schwefelsäure ist erst seit Beginn der Industrialisierung und dem Einsatz fossiler Brennstoffe in größerer Menge in der Atmosphäre vorhanden. Im CLOUD-Experiment untersuchten die Forscher daher, wie die Wolkenbildung in vorindustrieller Zeit abgelaufen ist.

„Wenn keine Schwefelsäure vorhanden ist, dienen stark oxidierte organische Verbindungen als Geburtshelfer der Wolken“, berichtete Armin Hansel vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck über die Ergebnisse. Die organischen Vorläuferstoffe, sogenannte Monoterpene, werden hauptsächlich von Nadelbäumen in größeren Mengen emittiert, vor allem in den großflächigen nördlichen Nadelwäldern.

Größerer kosmischer Einfluss

Bereits vor zwei Jahren zeigten die Wissenschaftler, dass diese Kohlenwasserstoff-Verbindungen gemeinsam mit Schwefelsäuremolekülen ebenfalls Cluster bilden, die zu Kondensationskeimen anwachsen können. In zwei in „Nature“ veröffentlichten Arbeiten wiesen die Forscher nun nach, dass sich die organischen Verbindungen - konkret brachten die Forscher alpha-Pinen in die CLOUD-Kammer ein - auch ohne Schwefelsäure zu Nanopartikel zusammenklumpen können, aus denen dann durch Anheftung weiterer Moleküle 50 bis 100 Nanometer große Kondensationskeime entstehen.

In dem Experiment zeigte sich auch, dass die Nukleationsrate unter dem Einfluss der kosmischen Strahlung noch einmal um ein bis zwei Größenordnungen ansteigt. „Daraus lässt sich schließen, dass die kosmische Strahlung in vorindustrieller Zeit einen größeren Einfluss auf die Aerosol- und Wolkenbildung hatte als unter heutigen - relativ schmutzigen Bedingungen“, so Paul Winkler von der Abteilung für Aerosolphysik und Umweltphysik der Universität Wien.

Geringerer menschlicher Einfluss?

Aus ihren Beobachtungen schließen die Forscher, dass die Partikeldichte in der Atmosphäre in vorindustrieller Zeit sehr viel höher gewesen sein könnte als bisher angenommen. Wenn der Anteil von Kondensationskeimen natürlichen Ursprungs höher ist, wäre aber auch der Einfluss des Menschen auf die Wolkenbildung in der Gegenwart geringer.

Diese Laborergebnisse konnte ein weiteres Wissenschaftlerteam in parallel durchgeführten Untersuchungen an der Hochalpinen Forschungsstation Jungfraujoch in den Berner Alpen (Schweiz) auch unter realen Bedingungen in der Atmosphäre nachvollziehen. Wie sie im Fachjournal „Science“ berichten, konnten sie auf einer Seehöhe von mehr als 3.500 Metern nicht nur zum ersten Mal die Entstehung von Aerosolen aus Schwefelsäure und Ammoniak in freier Natur beobachten, sondern auch sehen, dass sich Partikel aus rein organischen Stoffen bilden.

science.ORF.at/APA

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