Tutanchamun-Grab: Zweifel an Kammertheorie

Letztes Jahr sorgte der Ägyptologe Nicholas Reeves mit einer neuen Theorie in Aufregung: Im Grab von Tutanchamun sollte es seiner Ansicht nach verborgene Kammern geben. Nun mehren sich Zweifel.

Die PR-Maschinerie in Kairo lief im vergangenen Sommer auf Hochtouren. Das ägyptische Antikenministerium lud zu Pressekonferenzen ein, zeigte Radarbilder und demonstrierte immer mehr Zuversicht für eine sich anbahnende Sensation. Ein weiterer Scan im Tal der Könige sollte Anfang April den Beweis liefern.

Doch dann geschah erst einmal nichts. Keine verkündeten Ergebnisse, keine neuen Pressekonferenzen oder euphorische Zitate zuständiger Minister. Mittlerweile herrscht eine gewisse Ratlosigkeit. Denn die jüngsten Radarmessungen lieferten nicht nur keinen Beweis für weitere Räume in der weltberühmten Grabkammer. Sie scheinen den bisherigen Ergebnissen zu widersprechen.

„Entdeckung des Jahrhunderts“

Es waren Linienstrukturen, die Reeves neugierig gemacht hatten. In hochauflösenden Aufnahmen der nördlichen und westlichen Kalksteinwand der 1922 entdeckten Grabkammer des Kindkönigs Tutanchamun (um 1330 v. Chr.) erkannte der englische Wissenschafter vermauerte Durchgänge. Der ehemalige Antikenminister Mamduch Damati sprach schon von der „Entdeckung des Jahrhunderts“.

Doch Reeves Theorie, vergangenen Sommer veröffentlicht, wird sogar noch fantastischer. Hinter der Nordwand vermutet er die Mumie der sagenumwobenen und legendär schönen Pharaonin Nofretete. Ihre Büste begeisterte in den vergangenen Jahren Hunderttausende auf der Berliner Museumsinsel.

Nach Reeves Veröffentlichung waren sich die Gelehrten überwiegend einig: Die entdeckten Strukturen in den Wänden weisen auf Durchgänge hin. Noch im März schätzte der damalige ägyptische Antikenminister Mamduch Damati die Wahrscheinlichkeit auf unentdeckte Kammern auf „über 90 Prozent“.

Widersprüchliche Ergebnisse

Das war nach der Auswertung von Radaraufnahmen des Experten Hirokatsu Watanabe. Der Japaner war sich sicher, zwei zusätzliche Räume erkannt zu haben. Zudem auch entweder metallisches oder organisches Material. Watanabe hat die Rohdaten seiner Messungen aber nie veröffentlicht. Dazu kommt, dass er seine Ausrüstung angeblich so weit modifiziert hat, dass nur er selbst mit den Ergebnissen arbeiten kann.

Eine weitere Radarmessung wurde angesetzt. Diesmal durch einen Ingenieur von „National Geographic“, wie das Wissenschaftsmagazin berichtete. Mit zwei verschiedenen Frequenzen wurden über Stunden insgesamt 40 Einzelscans gemacht. Und diese bestätigten die bisherigen Hinweise auf Kammern nach Angaben des Magazins nicht.

Verschiedene Spezialisten haben nun die Daten ausgewertet: Von Kammern keine Spur. Der Geophysiker Dean Goodman sagte gegenüber „National Geographic“: „Wenn wir einen Hohlraum hätten, müsse es eine starke Reflexion geben“. Diese gebe es aber schlicht und einfach nicht.

Das Antikenministerium in Kairo hält sich bedeckt. Ja, bei einer Konferenz in Kairo im Mai seien die Wissenschafter uneins gewesen, ob Reeves Theorie zu halten sei. „Es wird einen neuen Scan geben, weil es möglicherweise Störsignale gegeben hat“, sagt eine Sprecherin. Einen Zeitplan dafür gebe es aber nicht. Auch keine neuen Pressekonferenzen. Von der Euphorie einer Jahrhundert-Entdeckung jedenfalls ist momentan wenig zu spüren.

science.ORF.at/dpa

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