Shenzhen - das Mekka für Maker

Die chinesische Stadt Shenzhen ist eine der wichtigsten Produktionsstätten für Elektrogeräte. „Jeder kann dort alles reparieren“, sagt die Technikexpertin Silvia Lindtner. „Im Westen bleibt das ‚Innenleben‘ von Tablets und Co. den meisten hingegen verschlossen“ – die Maker-Bewegung will das ändern.

Maker sind die neuen Hoffnungsträger für Unternehmen, Regierungen und Schulen, so die Informationswissenschaftlerin Silvia Lindtner von der Universität Michgan. Im Interview mit science.ORF.at erklärt sie, wie öffentliche Bastelplätze die Kreativität und Entwicklungsfreude zurück nach Europa und in die USA bringen sollen.

science.ORF.at: Im April war die „Maker Faire“ das erste Mal in Wien zu Gast, dabei haben sogenannte „Maker“ allerhand Selbstgemachtes präsentiert – von Robotern bis hin zu 3D-Druckern. Was genau ist aber ein Maker?

Silvia Lindtner: Man muss unterscheiden - diejenigen, die bei solchen Messen teilnehmen und ihre Prototypen präsentieren, sind Personen, die das als Hobby machen und andere von ihren Erfindungen begeistern und dazu anregen wollen, auch Dinge selber zu machen. So hat diese Maker-Bewegung eigentlich auch 2007 begonnen - mit klassischen „How to“-Anleitungen, die im US-amerikanischen „Make-Magazine“ erschienen sind.

Zur Person

Silvia Lindtner ist eine österreichische Informationswissenschaftlerin und Assistenzprofessorin an der Universität Michigan an der School of Information sowie Assistentin für Kunst und Design. Bei den Technologiegesprächen in Alpbach wird sie am Arbeitskreis “Innovation by Making: Paradigmenwechsel und neue Innovationskulturen“ teilnehmen.

Das hat sich aber in den letzten Jahren geändert, da einige das nun auch professionell machen und mit ihren Produkten Geld verdienen wollen. Dadurch ist der Begriff immer weitläufiger geworden. Von Kunst über Hobby bis zur Produktentwicklung.

Was unterscheidet Making nun vom Basteln?

Manche würden sagen - nichts. Es wird durchaus kontrovers diskutiert, wo man die Grenze zieht und warum nicht auch Häkeln, Kochen oder Fabrikarbeit darunter eingeordnet werden.

De facto sind es aber eher technologische Bastelprojekte, wie das Entwickeln einer Hardware für einen Roboter oder 3-D-Drucker, die von Unternehmen oder Regierungen explizit gefördert werden. Diese Definition hat sich nun eher durchgesetzt.

Erfindungen gratis zur Verfügung stellen und gemeinsam Dinge entwickeln : Die Idee ist nicht neu, wenn man zum Beispiel an Open Source oder Open Innovation denkt. Gibt es hier einen Unterschied?

Grundsätzlich steht natürlich auch hier das öffentlich zur Verfügung Stellen von Ideen und das gemeinsame Entwickeln im Vordergrund. Das heißt, man stellt seine Idee und Anleitung kostenlos ins Internet - alle können darauf zugreifen, es nachbauen und die Idee auch weiterentwickeln, um diese dann wiederum online zu stellen. Ähnlich wie bei Open Source Software, nur eben, dass hier Hardware entwickelt wird und kein Software-Code.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die bekanntesten Maker-Beispiele stammen aus der Anfangszeit der Bewegung wie z.B. der 3-D-Drucker „MakerBot“. Dieser wurde von drei New Yorkern in einem sogenannten „Maker Space“ entwickelt - das sind öffentliche Bastelstuben, wo man gemeinsam Dinge entwickeln kann.

Die drei haben die Anleitung zum Bau eines 3-D-Druckers online gestellt und damit einen großen Hype ausgelöst. Viele haben daraufhin den 3-D-Drucker nicht nur nachgebaut, sondern weiterentwickelt. Allerdings hat sich MakerBot dann dazu entschlossen, die Anleitung vom Netz zu nehmen und ihr Unternehmen schließlich um mehrere 100 Millionen US-Dollar zu verkaufen.

Das klingt nach dem üblichen Problem, dass freies Geben und Nehmen nur funktioniert, so lange niemand aus den Ideen anderer Profit schlagen möchte - dasselbe Problem sieht man mitunter auch, wenn große Firmen nach billigen Innovationen suchen und in Maker Projekte investieren!?

MakerBot ist ein Beispiel, das mittlerweile kontrovers diskutiert wird. Natürlich stellt sich die Frage, ob Profit und Making in Einklang zu bringen sind. Das gilt auch für Firmen wie Microsoft, Intel etc., die natürlich sehen, dass tolle Innovationen mitunter außerhalb ihres Unternehmens zu finden sind.

Wie es aber doch funktionieren könnte, zeigt beispielsweise die chinesische Open Source Robotik Firma „DFRobot“. Diese beteiligen „ihre“ Hobby-Maker am Profit, was meines Erachtens eine echte Alternative zu dem Free-Labor Problem ist.

Technologiegespräche Alpbach

Von 25. bis 27. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet „Neue Aufklärung“. Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren. Bisher erschienen:

Sie beschäftigen sich viel mit der Maker Szene in China und waren selbst auch einige Zeit in Shanghai - gibt es einen Unterschied zu Europa oder den USA?

Bei China muss man einfach verstehen, dass man dort ununterbrochen bastelt, produziert und repariert - egal ob Telefon, Klimaanlage oder sonst etwas. Dass das in den USA oder Europa nicht so ist, hat vor allem damit zu tun, dass diese Regionen während der 80er Jahre beinahe ihre gesamte Produktion nach China ausgelagert haben.

So entstand dort eine regelrechte Maker-Kultur - die auch von unterschiedlichen Bevölkerungsschichten nach wie vor gelebt wird. Besonders stark zu sehen ist das in der Stadt Shenzhen im Süden Chinas - dort wird sehr viel für den Westen produziert, wie beispielsweise Handys. In der Maker Szene gilt diese Stadt mittlerweile als das Sillicon Valley der Hardware.

Europa und die USA haben dieses Wissen hingegen aufgegeben und es durch das Entwickeln abstrakter, virtueller Ideen ersetzt - wir legen selbst nicht mehr Hand an, was viele in der Szene bedauern.

Nun interessieren sich aber nicht nur westliche Unternehmen sondern auch Regierungen wie die Obama-Administration dafür – warum?

Viele erwarten sich vom Making eine Lösung für soziale und wirtschaftliche Probleme. Making kann verwendet werden, um Bildung, Unis, Schulen wieder aufzumöbeln, auch um alte Industrien wieder innovativ zu machen - das ist in China, den USA oder Europa gleich.

Obama möchte das „Basteln“ in Unternehmen und Schulen verbreiten, um „Made in the USA“ wieder zurückzubringen, China wiederum will damit „Made in China“ stets erneuern und attraktiv halten. Making verspricht Veränderung bzw. Innovation.

Wie soll Making die Bildung verändern?

Man versucht damit, Schüler, Studenten, Erwachsene weg vom abstrakten Denken und Auswendiglernen und hin zum Selbermachen zu bewegen. Man hat natürlich erkannt, dass vielen heute das Innenleben von Technologien wie Handy, Tablet oder Auto völlig fremd sind - das sind aber Dinge, die uns täglich umgeben.

Aber auch Unternehmen und Fabriken richten immer mehr Maker-Spaces für ihre Mitarbeiter ein und stellen dort 3-D-Drucker, Arduino Plattformen und vieles mehr zur Verfügung. Es ist der Versuch, Leute wieder kreativ zu machen. Im Idealfall entwickeln sie auch selber neue Dinge.

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

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