Klimawandel: Muscheln verlieren den Halt
„Ein fester Halt ist das Um und Auf des Muschellebens“, meint Emiliy Carrington von der University of Washington. Sie setzen sich an Steinen und Felsen fest, trotzen so der Brandung und sind vor Räubern geschützt, während sie Plankton aus dem Meerwasser filtern. Rutschen die Muscheln ab, werden sie schnell zur Beute für Fische, Krabben oder Seesterne.
Studie
Losing their lifeline? The effects of ocean warming and acidification on mussel attachment, Poster vorgestellt beim SEB Annual Meeting 2016
Durch den im Zuge des Klimawandels sinkenden pH-Wert des Meerwassers bilden die Miesmuscheln der Art „Mytilus trossulus“ weniger und dünnere Haftfäden aus. Besonders der klebende Belag der sogenannten Muschelseide (auch Byssus genannt) sei beeinträchtigt, berichtet nun das Team um Carrington beim Jahrestreffen der Society for Experimental Biology in Brighton, England.
Härtetest im Wasser
Die Wissenschaftler untersuchten außerdem, ob die Härtung der Muschelseide vom Klimawandel betroffen ist. Zwölf Tage lang wurden die Fäden bei verschiedenen pH-Werten aufbewahrt - Resultat: Die Stärke der Fäden war im saureren Milieu um 25 Prozent geringer.
Emily Carrington
Das hängt damit zusammen, dass die Fäden innerhalb des Muschelfußes bei einem pH-Wert von 2 bis 3 gebildet werden und erst außerhalb, im Wasser, aushärten. Der pH-Wert des Wassers (normalerweise 8) führt zu einer Bindung der Proteine wodurch der Faden gefestigt und gestärkt wird. Eben dieser Prozess wird bei sinkendem pH-Wert des Meerwassers beeinträchtigt.
Auch wenn der pH-Wert durch die Versauerung der Meere voraussichtlich nur von 8 auf 7,8 sinken soll, gibt es lokale Gefahrenzonen für die Muscheln. „Aufgrund hoher regionaler Unterschiede weist das Meerwasser rund um Washington bereits jetzt einen pH-Wert von 7,8 auf“, so Carrington. Dies bedeute, dass Muscheln schon heute einem saureren Milieu ausgesetzt sind und in Zukunft länger und schwerwiegender damit zu kämpfen haben werden.
Wirtschaftliche Einbußen
Muscheltiere haben einen hohen wirtschaftlichen Stellenwert. In Afrika, Ostasien, Südasien und der Südsee wurden Muscheln sogar lange Zeit als Geld gehandelt. Das Naturgeld in Form von Muschelschalen ist heute nur mehr als Komplementärwährung in Papua-Neuguinea zu finden.
Der jährliche Umsatz der Muschelindustrie wird auf etwa 1,3 Milliarden Euro geschätzt. Die Versauerung der Meere könnte einen erheblichen Einfluss auf Muschelfarmen haben. „Die Ergebnisse [dieser Studie] könnten ernstzunehmende Auswirkungen auf Aquakulturen haben“, meint Carrington. In Muschelfarmen halten sich die Tiere an Seilen fest, an denen sie sechs bis zwölf Monate haften und zur Marktgröße heranwachsen. Ihr Haftverlust führt bereits jetzt zu Ernteverlusten von bis zu 20 Prozent.
Alexa Lutteri, science.ORF.at
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