Warum schlafende Vögel nicht abstürzen

Auf ihren Jagdflügen legen Fregattvögel Tausende Kilometer ohne Pause zurück. Dabei fallen sie auch immer wieder in Tiefschlaf - und stürzen dennoch nicht ab. Wie ihnen das gelingt, haben nun deutsche Wissenschaftler geklärt.

Die Forscher um Niels Rattenborg vom Max-Planck-Institut für Ornithologie untersuchten Fregattvögel, die auf den Galapagos-Inseln brüten. Diese große Seevogelart mit einer Flügelspannweite von über zwei Metern fliegt für Wochen ununterbrochen über dem Ozean und jagt fliegende Fische und Tintenfische, die von Raubfischen oder Walen an die Oberfläche getrieben werden.

Die Studie

„Evidence that birds sleep in mid-flight“, Nature Communications, 3.8.2016

Für die Studie wurden eigens entwickelte mobile Messgeräte, die Änderungen der Gehirnaktivität anhand von Elektroenzephalogrammen und Bewegungen des Kopfes registrieren, auf dem Kopf weiblicher Tiere befestigt, bevor diese zu ihren bis zu zehn Tage und 3.000 Kilometer langen Jagdflügen aufbrachen. Ein GPS-Gerät auf dem Rücken der Tiere erfasste die Flughöhe und ihre Position.

Schlafend weiterfliegen

Die Auswertung zeigte, wie die Fregattvögel im Flug schlafen. Tagsüber blieben die Vögel wach, um aktiv nach Nahrungsquellen zu suchen. Mit dem Einsetzen der Nacht bildeten die Gehirnströme „Slow wave sleep“-Muster von mehreren Minuten Länge, während die Vögel in einem Gleitflug waren.

Überraschenderweise trat der „Slow wave“-Schlaf nicht nur in einer Gehirnhälfte, sondern im kompletten Gehirn auf. Zur aerodynamischen Kontrolle ist es also wohl nicht nötig, eine Gehirnhälfte wach zu halten. Die Vögel verlieren laut den Forschern auch im Tiefschlaf nicht ihren Muskeltonus, maximal der Kopf sinkt - die Vögel können also quasi auf „Autopilot“ schalten. Diesen Zustand nützen sie auch, wenn sie auf einem Bein stehend schlafen.

Ein Auge zur Orientierung

Durch die Auswertung der Bewegungsdaten fanden die Wissenschaftler eine Erklärung für den „unihemisphärischen“ Schlaf: Wenn die Vögel in kreisenden Bewegungen die aufsteigenden Luftströme nutzen, bleibt meist die Gehirnhälfte wach, die mit dem in Flugrichtung blickenden Auge verbunden ist.

Die zu dem nach außen gerichteten Auge gehörende Hirnhälfte dagegen schlief, sodass die Vögel wohl geschaut haben, wohin sie fliegen: „Die Fregattvögel halten ein Auge offen, um einen Zusammenstoß mit anderen Vögeln zu verhindern, genau wie die Enten, die ein Auge auf potenzielle Fressfeinde werfen“, so Rattenborg in einer Aussendung.

Schlafmangel kein Problem

Fregattvögel besitzen im Flug also im Prinzip dieselben Schlafmuster wie an Land. Sie schlafen allerdings im Flug durchschnittlich nur 42 Minuten pro Tag. Knapp sechs Minuten dauerte der längste ununterbrochene Schlaf, den die Wissenschaftler gemessen haben.

Zurück an Land schlafen die Tiere über zwölf Stunden pro Tag, wobei die Schlafepisoden auch länger und tiefer sind. Fregattvögel sind also höchst unausgeschlafen im Flug. „Warum die Vögel so wenig im Flug schlafen, sogar in der Nacht, wenn sie nicht auf Jagd sind, ist noch unklar“, so Rattenborg.

Auch wie die Fregattvögel die negativen Folgen des Schlafmangels kompensieren, wissen die Forscher noch nicht: „Warum wir und viele andere Tiere so dramatisch unter Schlafmangel leiden, während einige Vögel scheinbar problemlos mit viel weniger Schlaf umgehen, bleibt vorerst noch ein Mysterium.“

science.ORF.at

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