Neonicotinoide schaden auch Wildbienen

Neonicotinoide gelten schon lange als bienenschädlich. Dieser Verdacht hat zu einem zeitlich begrenzten Verbot dreier Substanzen in der EU geführt. Bis Anfang nächsten Jahres wird entschieden, wie es weitergeht. Zwei Studien liefern neue Argumente: Die Pestizide gefährden auch wilde Bestäuber.

Eine Studie des britischen Zentrums für Ökologie und Hydrologie (NERC) legt einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Neonicotinoiden und dem Rückgang von Wildbienen-Populationen nahe.

Für die Untersuchung analysierten Forscher um den Insektenkundler Ben Woodcock, wie sich der großflächige Einsatz von Neonicotinoiden auf 62 Wildbienen-Arten in Großbritannien von 1994 bis 2011 auswirkte. Sie konnten dabei auf die Daten der „The Bees, Wasps and Ants Recording Society“ zurückgreifen, eines Verbandes von Naturfreunden, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts akribisch Informationen über Bienen, Wespen und Ameisen auf den britischen Inseln sammeln.

Schrumpfende Populationen

Das Ergebnis: Bei Wildbienenarten, die sich vorrangig von mit Neonicotinoiden behandeltem Raps ernähren, schrumpften die Populationen drei Mal stärker als bei jenen Arten, die andere, nicht behandelte Pflanzen bevorzugen. Bei fünf der untersuchten Wildbienen-Arten könne man sogar davon ausgehen, dass der Einsatz der Mittel 20 Prozent der lokalen Populationen vernichtet habe.

Blühendes Rapsfeld

Heather Lowther / Centre for Ecology & Hydrology

„Als blühendes Getreide ist Raps sehr nützlich für bestäubende Insekten“, erklärt Woodcock in einer Mitteilung. „Dieser Nutzen scheint aber durch die Neonicotinoidbehandlung für eine ganze Reihe von Wildbienenarten mehr als aufgehoben.“ Wildbienen leben - im Gegensatz zu den Honigbienen - meist als Einzelgänger.

Die Ergebnisse zeigen laut Woodcock, dass Neonicotinoide einen wesentlichen Beitrag zum seit Jahren beobachteten Bienensterben leistet. Hinzu kommen der Verlust von Lebensräumen, Parasiten, Klimawandel und andere Insektizide.

Zweifel beseitigt

Nach Ansicht des deutschen Neurobiologen und Bienenforschers Randolf Menzel zeigt die Studie, wie groß der Einfluss der Neonicotinoide wirklich ist - und das über einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum. „Bei experimentellen Studien wird oft bezweifelt, wie aussagekräftig diese für das gesamte Ökosystem sind“, so Menzel. Jene Zweifel würden nun widerlegt. Er sieht sich in seiner Grundannahme über die Wirkweise der Nervengifte bestätigt. Der Neurobiologe hatte in seiner Forschung schon belegt, dass Bienen schon nach kleinsten Dosen der Insektizide ihre Orientierung und ihr Gedächtnis verlieren.

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 17.8. um 13:55.

Für die britische Studie hätte er sich eine genauere Aufschlüsselung der verwendeten Neonicotinoide gewünscht: So seien etwa Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam - jene drei Substanzen, bei welchen ein weiteres Moratorium in der EU gerade diskutiert wird - in Großbritannien seit vergangenem Jahr wieder zugelassen. „Bei eben jenen drei ist sehr wahrscheinlich, dass sie großen Schaden anrichten“, erklärt Menzel.

Auch Schmetterlinge betroffen

Nicht nur Bienen scheinen unter den Mitteln zu leiden: Eine Studie aus den USA legt nahe, dass der Bestand von Schmetterlingen mindestens ebenso durch die Pestizide bedroht ist wie durch die fortschreitende Vernichtung ihres Lebensraums.

Die Forscher um den Biologen Matthew Forister von der Universität von Nevada untersuchten das Vorkommen von 67 Schmetterlingsarten in Nordkalifornien anhand von Daten aus den vergangenen 40 Jahren. Das Ergebnis: Die Zahl der Schmetterlingsarten geht dramatisch zurück - und das vor allem seit 1995, als Neonicotinoide in der Region erstmals eingesetzt wurden.

Neonicotinoide wirken als Fraß- oder Kontaktgift auf die Nervenzellen von Insekten und sollen Pflanzen sowohl vor saugenden als auch beißenden Schädlingen schützen. Bei ihrer Einführung galten sie noch als besonders schonende Pestizide, die gut von Pflanzen über deren Wurzeln in die Blätter aufgenommen werden. Mit dieser systemischen Wirkung werden sie bevorzugt als Saatgutbeizmittel verwendet - und das präventiv, wie Randolf Menzel kritisiert: „Sie werden eingesetzt, ohne dass es schon einen Schaden oder Befall gibt“, beschreibt der Bienenforscher. „Das ist, als würden alle Menschen immer Antibiotika nehmen, um keine Lungenentzündung zu bekommen.“

science.ORF.at/APA/dpa

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