Der „gesunde Dicke“ ist ein Mythos

Ob ein paar Kilo mehr auf der Waage gesund sind oder nicht, war in den letzten Jahren heiß umstritten. In einer neuen Studie liefern schwedische Forscher nun Belege dafür, dass das „gesunde Übergewicht“ ein Mythos ist.

Übergewicht und Fettleibigkeit erreichen weltweit epidemische Ausmaße. Etwa 600 Millionen Menschen gelten heute als zu dick. Dass zu viel Körperfett krank machen kann, wird schon seit den 1940er Jahren vermutet. Es soll das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und Zuckerkrankheit erhöhen. In den 1970er und 1980er Jahren kamen jedoch erste Zweifel an dieser These auf: In welchem Ausmaß ist die Fettleibigkeit wirklich für diese Krankheiten verantwortlich? In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben einige Studien gezeigt, dass manche Dicke sogar einen relativ gesunden Stoffwechsel und keine Herz-Kreislauf-Probleme haben.

Die Kritik an der strengen Bemessung des Body-Mass-Index (BMI) wurde lauter: Nicht jede Art von Körperfett sei gleich ungesund, nicht jeder Dicke gleich gefährdet – ja, Übergewichtige könnten sogar länger leben als Normalgewichtige. Sie würden wegen ihres Gewichts häufiger zum Arzt gehen, wodurch Krankheiten vorzeitig erkannt werden, und seien durch die größeren Fettpolster im Falle einer schweren Erkrankung (wie zum Beispiel Krebs) widerstandsfähiger. Außerdem weisen etwa 30 Prozent der Übergewichtigen trotz erhöhten Körperfettanteils eine hohe Insulinempfindlichkeit auf, was bisher als Indiz für einen gesunden Stoffwechsel galt. Eine neue Studie räumt damit nun auf.

Entscheidender Faktor: Übergewicht an sich

Mikael Ryden, Autor der Studie, meint: „Insulinsensible Übergewichtige sind metabolisch wahrscheinlich nicht so gesund, wie bisher angenommen.“

Ryden hat gemeinsam mit seinen Kollegen des Karolinska Institutet in Stockholm Proben von weißem Fettgewebe auf ihre Insulinreaktion untersucht. Sie wurden aus dem Bauchfett von 15 normalgewichtigen und 50 fettleibigen Menschen entnommen. Es zeigten sich sowohl bei den Proben insulinempfindlicher als auch -resistenter Fettleibiger nahezu identische genetische Muster. Beide haben sich allerdings sehr deutlich von denen Normalgewichtiger unterschieden.

Das bedeutet, dass das weiße Fettgewebe bei Übergewichtigen per se verändert auf Insulin reagiert. Das ist deshalb „ungesund“, weil die abnormalen Ausprägungen für verschiedene Fehlfunktionen in Zellen und in der Folge auch für Störungen des Stoffwechsels und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich sein können.

Die Schlussfolgerung der Forscher: Die durch Übergewicht veränderte genetische Reaktion auf Insulin ist entscheidender als andere Risikofaktoren (wie zum Beispiel Bluthochdruck, erhöhte Herzfrequenz oder das Hüfte-Taille-Verhältnis). "Übergewicht ist die treibende Kraft. Umso mehr sollten wir alles daran setzen, es zu vermeiden“, so Ryden.

Alexa Lutteri, science.ORF.at

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