Motoriktraining statt Abmalen

Wenn Kinder das Schreiben lernen, dann meistens über das „Abmalen“ von Buchstaben. Geht es nach Schreibmotorikexperten Christian Marquardt, sollte stattdessen anfangs die Motorik trainiert werden. Dann könnten Schüler später flüssiger und schneller schreiben.

Laut einer Befragung des deutschen Schreibmotorik-Instituts, in dessen Beirat Marquardt sitzt, hat die Hälfte der Schulkinder Probleme beim längeren Schreiben, verkrampft dabei die Hand oder kommt nur langsam voran.

Und es werden in Zeiten von Tablets und Smartphones nicht weniger werden, fürchtet Marquardt. „Viele sind dann frustriert und sagen: ‚Warum soll ich mich damit herumplagen, wenn ich es ohnehin digital machen kann.‘ Es wäre sehr schade, wenn die Fertigkeit des Handschreibens aussterben würde.“ Immerhin fördere dieses nicht nur motorische, sondern auch kognitive Fähigkeiten.

Flüssiger und lesbarer

Die Voraussetzungen für eine flüssige Schreibschrift sind dabei laut Marquardt schlechter geworden, viele Kinder hätten heute unterentwickelte motorische Fähigkeiten. „Aber wir sollten nicht lamentieren, sondern aktiv eingreifen und die Feinmotorik durch entsprechende Übungen fördern.“ Er fordert eine Umorientierung weg von Formen hin zu mehr Motorik im Schreibunterricht.

Schüler lernt schreiben

Patrick Pleul/dpa

Studien würden nämlich nahelegen, dass Schüler mit dieser Methode trotz weniger Zeit, die sie mit Handschreiben verbringen, und „etwas schlechteren Voraussetzungen“ zu einer flüssigen und lesbaren Schrift kommen könnten. Bildungspolitiker und Universitäten müssten hier aktiv werden, um eine neue Kultur des Schreibenlernens an den Schulen zu etablieren.

In der Praxis würde das bedeuten, dass die Kinder unabhängig von Buchstaben die Motorik lernen, die man zum flüssigen Schreiben braucht, indem sie die Finger- und Handgelenksbewegungen mit Geraden und Rundungen üben. Außerdem sollen die Kinder sich die Formbestandteile (etwa Auf-, Ab- und Querstrichen), die zum Schreiben benötigt werden, selbst erschließen. Entsprechende Lernmaterialien werden inzwischen vom Schreibmotorik-Institut vertrieben, der von Marquardt beratene Stifthersteller Stabilo bietet Fortbildungen für Pädagogen in Kindergarten und Schule und unter der neuen Marke „Stabilo Education“ auch Übungshefte für Kinder im Vor- und Volksschulalter an.

Einfache Grundschrift

Aktuelle Debatten über eine Abschaffung der Schreibschrift verfolgt Marquardt relativ unaufgeregt. So wird in Deutschland gerade viel über eine Grundschrift diskutiert, bei der Kinder nur noch Druckbuchstaben erlernen und aus diesen heraus direkt ihre individuelle Schreibschrift entwickeln sollen, ohne den derzeit üblichen (zeit)aufwendigen Umweg über die zusammenhängende Schreibschrift.

In der Schweiz werde etwas Ähnliches mit der Basisschrift versucht, bei der die Kinder von kursiven Druckbuchstaben ausgehend ihre eigene Schreibschrift entwickeln. „Wichtig ist, wie ich Kindern erkläre, was eine schreibbare Schrift ist. Die Ausgangsschrift ist dann vielleicht gar nicht so entscheidend.“

Kritisch sieht er allerdings Tendenzen in den USA, eine flüssige Handschrift überhaupt als entbehrlich einzustufen, während gleichzeitig als Gegenbewegung deren Wert an den Privatschulen zunehme. „Es wäre sehr bedenklich, wenn das Schreiben dann zu einem Luxusgut wird.“

science.ORF.at/APA

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