Japanische Fliege befällt Wein und Obst

Ein aus Asien stammender Schädling bereitet heimischen Obst- und Weinbauern Sorgen. Die japanische Kirschessigfliege hat sich heuer stark vermehrt. Forscher arbeiten deshalb an einer Methode, um dem Insekt umweltschonend den Garaus zu machen.

„Einen so frühen Befall wie heuer hat es überhaupt noch nie gegeben“, so Manfred Wiesenhofer von der Landwirtschaftskammer Steiermark gegenüber science.ORF.at. „Die Kirschessigfliege ist ein sehr unguter Schädling mit hohem Schadenspotenzial.“

Die aus Japan stammende, zwei bis vier Millimeter lange Fliege - wissenschaftlicher Name: Drosophila suzukii - macht weltweit Probleme. Sie befällt kanadische Cranberries, spanische Erdbeeren, italienische Weintrauben und österreichische Himbeeren.

Gefährlicher als die Fruchtfliege

Während die heimische Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) ihre Eier nur in überreifes, faules oder beschädigtes Obst legen kann, können weibliche Kirschessigfliegen mit ihrem sägeartigen Eiablageapparat auch härtere Oberflächen von heranreifenden Früchten durchstechen. Schlüpfen Larven in einem erntereifen Stadium, ist das weit schädlicher für den Obstbau. Die Einstiche der suzukii machen außerdem den Weg für die heimische Art frei, was das Schadenspotenzial zusätzlich erhöht.

An Obstbaukulturen hat die Fliege auch in diesem Sommer schon Schäden hinterlassen - kein gutes Zeichen, für die heurige Weinernte. „Die wechselhafte Witterung mit gemäßigten Sommertemperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit kommt der Entwicklung der Kirschessigfliege entgegen“, so Erhard Kührer, Leiter des österreichischen Rebschutzdienstes, „Die Gefahr eines Befalls ist heuer im Weinbau deutlich höher als im Vorjahr.“

Schaden in Österreich

Von Ostasien ist der Schädling über Hawaii nach Amerika und weiter über Spanien und Italien über die Alpen nach Österreich gekommen. Hier wurde er erstmals 2011 entdeckt und 2014 zum Problem: „Von Südtirol wurden uns Totalschäden in diesen Jahren berichtet“, so Kührer. Auch in Österreich wurden laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) 2014 erstmals Kirschessigfliegen „in hoher Zahl“ festgestellt.

Das Institut für nachhaltige Pflanzenproduktion der AGES führt in Kooperation mit den Landwirtschaftskammern seit 2012 Bestandsaufnahmen der Kirschessigfliege durch. Gefangene Tiere in Essigfallen und eine Untersuchung von Eiablagen an Beeren können das Ausmaß des Schadens zwar nicht exakt beschreiben, Obstbauern können aber gewarnt werden und Gegenmaßnahmen treffen.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 19.9., 13:55 Uhr.

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„Die Kirschessigfliege macht Probleme an Obstsorten, wo es sonst keine gab“, sagt Ulrich Höfert von der Landwirtschaftskammer Vorarlberg. Ohne schützende Netze sei ein Kirschanbau nicht mehr gewinnbringend möglich. Neben der Volleinnetzung werden kürzere Ernteintervalle und Pflanzenschutzmittel eingesetzt. „Das ist alles sehr kostenintensiv, die Ernteleistung sinkt und es ist eine enorme Zusatzbelastung für die Bauern“. meint auch Manfred Wiesenhofer von der Landwirtschaftskammer Steiermark. Das Pflanzenschutzmittel SpinTor „ist zwar wirksam, wird aber sehr schnell wieder abgebaut und wirkt deshalb nur kurz.“ Außerdem sei es gefährlich für Bienen. Wünschenswert wäre also von allen Seiten eine Maßnahme, die dem Eindringling nachhaltig den Garaus macht.

Aus Seibersdorf kommt Hoffnung

„Insektenschutzmittel sind immer die ersten Werkzeuge, die Bauern in die Hände bekommen und anwenden“, sagt der Insektenkundler Carlos Cáceres, „aber es braucht eine bessere Lösung.“ Genau an einer solchen arbeitet der Leiter des Fruchtfliegenlabors der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Seibersdorf.

Bei der „Sterilen Insekten Technik“ (SIT) werden männliche Fliegenpuppen einige Sekunden lang radioaktiver Strahlung ausgesetzt - gerade so lange, bis die Samenzellen der Ungeborenen geschädigt sind, sie aber keine anderen Beeinträchtigungen davontragen. Nach dem Schlüpfen sind diese Tiere zwar lebens-, aber nicht zeugungsfähig.

Der Hintergrund: Weibliche Fliegen lassen sich nur ein einziges Mal begatten. Lässt man also Millionen von sterilen männlichen Fliegen in die Wildnis, paaren sie sich mit „wilden“ Weibchen, es entstehen aber keine Nachkommen und die Population wird dezimiert.

„Die Methode wird bereits seit den 1970er Jahren erfolgreich gegen die etwas größere Fruchtfliege Ceratitis Capitata eingesetzt“, so Cáceres. Diese ist vor allem in Südamerika ein Problem und bedroht über 200 verschiedene Gemüsesorten.

„Feldversuche bestätigen, dass diese Technologie in naher Zukunft auch für die Bekämpfung von Malaria-Moskitos eingesetzt werden kann. Jetzt sind wir dabei, die Methode auf die Kirschessigfliege anzuwenden, aber hier stehen wir erst am Anfang“, so der Forscher.

Problemkind: Suzukii

„Das Problem ist, dass sie sich viel schneller fortpflanzt und das Erwachsenenstadium erreicht als andere Fruchtfliegen“, so Carlos Cáceres. Das macht es einerseits schwieriger, den Zeitpunkt der Bestrahlung genau festzulegen, und andererseits müssten in natura viel mehr Fliegen ausgesetzt werden. Um die winzige Fliege in großem Stil zu produzieren, gebe es noch keine systematische Züchtungsmethode. Puppen müssen derzeit noch mit der Pinzette per Hand aus Beeren gezupft werden, das wäre bei Millionen von Fliegen nicht möglich und ist nicht zuletzt auch eine Kostenfrage: “Es ist wichtig, dass die SIT-Methode billiger ist als das Versprühen von Pestiziden, damit sie von Regierungen und Bauern angenommen wird“, so Cáceres.

Bei der Ceratitis Capitata ist das gelungen. „In Mexiko wurde sie bereits gänzlich eingedämmt, weil die SIT etwa 80 Prozent weniger kostet als umweltschädliche Insektizide.“ Hier kostet die Produktion einer Million steriler Männchen ca. 150 US Dollar. Etwa 200 der unfruchtbaren Fliegen sind pro Hektar nötig, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Darum wird in Seibersdorf noch eifrig daran geforscht, eine effiziente Laborzucht der japanischen Kirschessigfliege zu betreiben. Tests, die optimale Bestrahlungszeit zu bestimmen, sind ebenso im Gang.

Bis zum erfolgreichen Einsatz steriler Männchen im Obst- und Weinbau werde es allerdings noch etwas dauern. „Wir rechnen damit, dass allein die Entwicklung der Protokolle und die Feldversuche noch etwa zwei Jahre in Anspruch nehmen werden“, so Cáceres.

Alexa Lutteri, science.ORF.at

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