„Wir brauchen einen Kassasturz“

Übervolle Hörsäle, lange Schlangen am Eingang, Studierende, die auf dem Boden sitzend Vorlesungen verfolgen: Mit diesen Szenen beginnt heute an vielen Unis das neue Studienjahr. Das könne sich niemand wünschen, sagt Uniko-Präsident Oliver Vitouch - und fordert einen Kassasturz.

Rund 300.000 junge Menschen studieren derzeit an den heimischen Universitäten. Zum Vergleich: Anfang der 1970er Jahre waren es 50.000. Allein die Zahlen belegen für die Universitätenkonferenz (Uniko), dass es ein sogenanntes Studienplatzmanagement braucht - also eine Festlegung, wie viele Menschen ein bestimmtes Fach absolvieren können.

Forderung nach Kostenwahrheit

„Es laufen Gespräche, es laufen sehr gute Gespräche. Was es aber bräuchte, wäre eine Inventur, ein Kassasturz, unter welchen Rahmenbedingungen man sich eine entsprechende Dotation des Gesamtsystems vorstellen kann“, so Uniko-Präsident Oliver Vitouch. Als „sehr erfreulich“ bezeichnet er die jüngste Ankündigung von Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner von der ÖVP, 2019 mit einer solchen Studienplatzfinanzierung zu beginnen.

UNIKO-Präsident Oliver Vitouch

Ursula Berger-Hummel, ORF

Uniko-Präsident Oliver Vitouch

Gleichzeitig fügt er aber hinzu: „Wir bräuchten Kostenwahrheit: Welche Ausgaben in welchen Bereichen und welcher Leistungsanspruch wird gleichzeitig an die Universitäten gestellt.“ Dieses Mengen-Preis-Verhältnis steht noch nicht fest. Damit verbunden wären aber auch - zumindest in sehr gefragten Fächern - Zugangsbeschränkungen, also etwa Aufnahmeprüfungen.

Zu lange „Irgendwie“

Universitätensanierung auf dem Rücken der Studierenden, die immer mehr Hürden überwinden müssen? Das sieht Oliver Vitouch nicht so, seiner Meinung nach würden auch die Studierenden von einem System mit klar definierten Ressourcen profitieren. Vielmehr schaden würde die bisherige Vorgangsweise, die Vitouch so beschreib: „Nehmen wir einfach alle, und irgendwie wird sich das dann schon klären. Man wurschtelt sich durch, die Spreu trennt sich vom Weizen, irgendwie geht das schon.“

Ö1 Sendungshinweis:

Über Forderungen der Uniko zu Semesterbeginn berichtete auch das Morgenjournal am 3.10.2016.

Dieses Irgendwie sei aber viel zu lange gemacht worden. „Es kann sich niemand ein Studium wünschen, das in Wirklichkeit nur in Form eines Vorlesungsbetriebes oder ausgelagert in die digitale Welt als digitales Fernstudium stattfindet“, so Vitouch. Mit klaren Regeln würde auch das Verhältnis von Universität und Studierenden verbindlicher werden.

Internationale Reputation leidet

Besonders gilt das für Studienphasen, in denen etwa bei einer Master- oder Doktoratsarbeit intensive Zusammenarbeit gefordert ist. „Auch in Wissenschaft und Forschung sind wir ein Stück weit auf ein 1:1-Betreuungsverhältnis in manchen Phasen angewiesen“, sagt der Uniko-Präsident.

Die schlechten Betreuungsverhältnisse schaden nicht nur den Studierenden, weil sie zu wenig Unterstützung bekommen, sondern auch dem internationalen Ansehen der heimischen Universitäten. Bei dem zuletzt veröffentlichten „Times Higher Education World University Ranking“ lag die Uni Wien als beste österreichische Universität auf Platz 161.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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