Affen: Ich weiß, dass du dich irrst

Sich in andere hineinversetzen zu können, gilt als Zeichen höherer Intelligenz. Affen sind dazu imstande: Laut Versuchen können sie sogar Irrtümer anderer vorhersehen - diese Fähigkeit galt bisher als dem Menschen vorbehalten.

Für den uneingeweihten Beobachter muten die Szenen in den Räumen des Leipziger Max-Planck-Instituts (MPI) für Evolutionäre Anthropologie einigermaßen skurril an. Da sitzt ein Affe im Käfig, schlürft Saft (das hält ihn motiviert) - und schaut sich einen Film an. Derweil zeichnen Forscher mit Hilfe eines Eyetrackers die Augenbewegungen des Primaten auf.

Wo ist King-Kong?

In dem Film sieht ein Mann, wie sich ein „Affe“ (dargestellt durch einen Menschen in einem King-Kong-Kostüm) hinter einem Heuhaufen versteckt. Daraufhin verlässt der Mann die Szene, King-Kong versteckt sich inzwischen hinter einem anderen Heuhaufen und läuft dann ganz weg. Dann kommt der Mann zurück. Wo wird er nach King-Kong suchen?

Die Perspektive von anderen einzunehmen und ihren Wissensstand zu berücksichtigen - diese Fähigkeit nennen Forscher „Theory of mind“. Die Denkfigur gipfelt in dem Verständnis, dass andere sich irren können („False-belief“) und deshalb falsch handeln. Menschen sind dazu ab einem Alter von vier Jahren fahig.

Erwachsene Menschenaffen können das offenbar auch, wie nun Verhaltensbiologen im Fachblatt „Science“ berichten. Die Forscher um Christopher Krupenye vom MPI in Leipzig und Fumihiro Kano von der Kyoto University hatten das King-Kong-Video 19 Schimpansen, 14 Zwergschimpansen und sieben Orang-Utans vorgespielt.

„Erstmals False-Belief-Test bestanden“

Das Ergebnis: Die meisten der 40 Affen vermuteten, dass der Beobachter im Film den King-Kong hinter einem der Heuhaufen suchen würde: 30 visierten einen der beiden Heuhaufen an, obwohl die Tiere selbst gesehen hatten, dass King-Kong dort nicht mehr versteckt ist. Nach Interpetation der Forscher erkennen die Primaten, dass nicht immer die Realität für die Handlungen anderer entscheidend ist, sondern deren subjektive Annahmen. Annahmen, die in diesem Fall eben falsch waren.

Für Krupenye bedeuten die Studienergebnisse eine Wende: „Es ist das erste Mal, dass Tiere einen False-Belief-Test bestanden haben. Diese Studie zeigt, dass diese Fähigkeit kein alleiniges Wesensmerkmal der Menschen ist.“

Die Wissenschaftler geben allerdings zu bedenken, dass es eine mögliche abweichende Erklärung für die Reaktion der Affen geben könnte. So könnten die Tiere glauben, der Beobachter im Film suche grundsätzlich nach Dingen, selbst wenn dieser wisse, dass sie nicht mehr da seien.

Bei früheren, komplexeren False-Belief-Aufgaben, die von den Primaten ein bestimmtes Verhalten, zum Beispiel eine richtige Entscheidung, abverlangten, versagten diese allerdings. Die Forscher schließen daraus: Menschenaffen besitzen zwar ein Verständnis für die Irrtümer anderer, aber es ist vergleichsweise unterentwickelt. Ein bisschen einzigartig darf der Mensch sich doch noch fühlen.

science.ORF.at/dpa