9.000 Jahre altes „Technologiezentrum“
„Wir sind von der Grabungslizenz für Ephesos abhängig“, sagt Barbara Horejs gegenüber science.ORF.at. Insofern gebe es zurzeit da wir dort keine Grabungen heimischer Forscher, so die Direktorin des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Wegen der politischen Spannungen zwischen der Türkei und Österreich waren die Grabungen Anfang September beendet worden. „Ich bin aber zuversichtlich, dass wir schon nächstes Jahr wieder mit den Auswertungen der vor Ort liegenden Fundstücke beginnen können. Denn die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Kollegen in der Türkei war immer exzellent“, so Horejs.
Fähige Seefahrer und Ackerbauern
Ephesos wird schon seit 120 Jahren von österreichischen Wissenschaftlern erforscht, der nur einen Kilometer entfernte prähistorische Siedlungshügel Cukurici Höyük erst seit 2007. Barbara Horejs hat dazu soeben das vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderte Forschungsprojekt „Prehistoric Anatolia“ beendet.
"Eines der überraschendsten Ergebnisse war sicherlich die extrem frühe Ansiedlung an diesem Ort.“ Prähistorische Siedler hätten Cukurici Höyük bereits vor 9.000 Jahren vom Orient aus über den Seeweg erreicht und auch ihre Lebensweise, Kultur und Technik mitgebracht. Diese fähigen Seefahrer sind gleichzeitig auch die „frühesten Ackerbauern“ am Rande Europas, sagt Horejs.
OREA/ÖAW
„Sie bringen ihr gesamtes Know-how, die neue Gesellschaftsform und neue Wirtschaftsform mit.“ Vergleichbar sei die Siedlung, die zusammen mit den Ausgrabungsstätten in Ephesos seit 2015 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, mit lediglich vier bis fünf weiteren Orten im gesamten ägäischen Raum.
Spektakulärer Fund: Klingen aus Vulkanglas
An ihrem neuen Heimatort trafen die Siedler vermutlich auf regionale Jäger und Sammler-Gruppen, die aber ebenfalls bereits die nautisch durchaus anspruchsvolle Inselwelt der Ägäis befahren haben. Dass es schon damals regen Austausch in diese Richtung gab, belegt der spektakuläre Fund mehrerer 9.000 Jahre alter „Obsidian-Klingen“.
Dieses vulkanische Glas stammte nämlich von der etwa 300 Kilometer entfernten Ägäis-Insel Melos. Zu Werkzeugen verarbeitet wurde der Rohstoff allerdings erst in Cukurici Höyük. Das lasse auf hohes handwerkliches Können der dort ansässigen Menschen und eine erstaunliche Spezialisierung schließen.
Niki Gail/ERC Prehistoric Anatolia/ÖAI
Über vier Jahrtausende hinweg entwickelte sich der Ort weiter und spätestens am Beginn der Bronzezeit ab 3.000 vor Christus war der Siedungshügel ein dicht besiedelter florierender Wirtschaftsstandort mit mehrräumigen Gebäuden mit Mauern aus Stein und Lehmziegeln.
Ackerbau, Viehhaltung und maritime Fischerei - das zeigen etwa Funde von Muscheln und Fischknochen - ernährten die schon stark arbeitsteilig organisierte wachsende Bevölkerung in diesem Vorläufer städtischer Siedlungen. Wirtschaftliche Schwerpunkte lagen auf Textilproduktion und Metallherstellung.
Mehr Metall als in Troja
Letztere war offenbar eine besondere Stärke der Bewohner: Während im zur gleichen Zeit entstandenen Troja lediglich 18 Metallobjekte gefunden wurden, „sind es bei uns insgesamt 400“, sagte Horejs. Das zeige, welche Bedeutung dieses Metallurgiezentrum hatte. Wo aber das Erz für diese „zwischen der Donau und Mesopotamien einzigartige Kupferproduktion“ herkam, sei noch nicht geklärt. Denn Kupferlagerstätten in der Umgebung habe man noch nicht entdeckt, so die Archäologin.
Cukurici Höyük-Film/OREA/7Reasons
Bis ungefähr 5.000 Jahre vor unserer Zeit könne man die Geschichte der Bewohner des Cukurici Höyük mittlerweile relativ gut nachvollziehen. Es seien aber noch viele Fragen offen, darunter auch, was mit der Bevölkerung danach passiert ist. "Uns fehlen auch die Hinweise, warum diese Siedlung aufgegeben wurde. Es gibt in dem Raum für uns und weitere Generationen noch viel Forschungspotenzial“, so Horejs.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at/APA