Erdeessen ist eine Art Sucht

30 bis 80 Prozent der Menschen in Afrika, insbesondere Frauen, essen regelmäßig lehmhaltige Erde. Laut Wiener Forschern ist das ein suchtartiges Verhalten, das aber auch seine medizinischen Vorteile hat.

„Vor allem schwangere und stillende Frauen haben praktisch immer Erde dabei. Man kann das am Markt günstig erwerben“, berichtete Ruth Kutalek vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien.

Die Studie

“Geophagy in Northern Uganda: Perspectives from Consumers and Clinicians”, The American Journal of Tropical Medicine and Hygiene

"Diese Menschen konsumieren Lehmerde oft als Snack zwischendurch und berichten, dass sie ohne die Substanz nicht auskommen können“. Erdeessen oder “Geophagie“ ist also ähnlich wie Heißhunger auf Schokolade oder eine Art "Belohnung“.

Hilft gegen Durchfall und Übelkeit

Der Hintergrund könnte aber ein anderer sein und ist zugleich vielschichtig: In der Erde sind Lehmanteile enthalten, die Giftstoffe (Toxine) binden, ähnlich wie in Kohletabletten gegen Durchfallerkrankungen.

Diese Lehmanteile können einerseits den pH-Wert der Magensäure beeinflussen und gegen Sodbrennen wirken – viele der Frauen in Afrika ernähren sich hauptsächlich von Mais, Maniok und Bohnen –, andererseits gibt es Hinweise, betonte Kutalek, dass die Erde auch gegen Schwangerschaftsübelkeit wirkt.

Daher gilt das Erdeessen bei vielen afrikanischen Ethnien als „weiblich“ und der vermehrte Verzehr von Erde steht als Zeichen dafür, dass eine Frau schwanger ist. Männer greifen aber, so die MedUni Wien-Experten, immer häufiger zu Erde, vor allem weil Lehmerde auch als natürliches Stimulans gilt.

Enthält auch schädliche Substanzen

Aus Public Health-Sicht ist das Erdeessen bedenklich – zumindest in großen Mengen. Denn in der Erde wurden, insbesondere in Afrika, sehr viele Schwermetalle wie Blei oder Quecksilber nachgewiesen, was vor allem ungeborenen Babys, aber auch Erwachsenen schadet. „Eine Reduktion des Konsums ist daher unbedingt ratsam“, sagte Kutalek. Die Empfehlung, gänzlich damit aufzuhören, ist schwierig umzusetzen, weil suchartiges Verhalten nicht von heute auf morgen zu ändern ist.

Übrigens greifen aus Afrika stammende Migranten in Europa, und auch in Wien, aus Gewohnheit zu Erde. Portioniert gibt es sie in bestimmten Supermärkten zu kaufen. In Reformhäusern wird „Heilerde“ zur inneren Anwendung angeboten. Ein Verzehr dieser Erde ist allerdings nicht ratsam.

Die aktuelle Studie basiert auf den Diplomarbeiten der drei Medizin-Studierenden Lena Hübl, Stephan Leick und Lukas Güttl, die unter der Leitung von Kutalek am Zentrum für Public Health entstanden sind.

science.ORF.at/APA

Mehr zu diesem Thema: