Rätselhaftes Echo aus Schwarzem Loch

Beginnt damit eine wissenschaftliche Revolution? Beim erstmaligen Nachweis von Gravitationswellen haben Astronomen möglicherweise noch etwas anderes entdeckt: ein Echo, das es laut Relativitätstheorie gar nicht geben dürfte.

„Echoes from the Abyss“, „Echos aus dem Abgrund“, heißt die letzte Veröffentlichung vom iranischen Physiker Niayesh Afshordi. Sie ist derzeit nur als Preprint erhältlich, in einem Fachjournal wurde sie noch nicht veröffentlicht - doch in der Forschergemeinde sorgt die sieben Seiten lange Arbeit schon jetzt für Aufsehen.

Wenn Afshordi vom „Abgrund“ schreibt, schwingt auch der biblische Abyssus ein bisschen mit, in erster Linie meint der Astrophysiker von der University of Waterloo freilich Schwarze Löcher: Genauer gesagt jene verschmelzenden Schwarzen Löcher, mit deren Hilfe die Wissenschaftler der LIGO-Kollaboration im Februar dieses Jahres erstmals Gravitationswellen direkt nachgewiesen haben.

Afshordi hat die LIGO-Daten nun genauer unter die Lupe genommen und darin Signale entdeckt, die wie ein Echo der Gravitationswellen aussehen. Laut Allgemeiner Relativitätstheorie dürfte es so etwas nicht geben. Zumindest sagt die Theorie das nicht voraus - was verbirgt sich dahinter?

„Firewall“ um Schwarze Löcher

Gesetzt den Fall, die Signale sind echt, dann dürfte es sich um Quanteneffekte handeln, die am oder im Umkreis des Ereignishorizonts Schwarzer Löcher entstehen. Der Ereignishorizont ist der point of no return, ab diesem Punkt kann kein Objekt der Anziehung von Schwarzen Löchern entrinnen. Laut Allgemeiner Relativitätstheorie ist dieser Horizont äußerlich unauffällig, wenn man einmal von der Tatsache absieht, dass die Schwerkraft unwiderstehlich zu zerren beginnt. Es gibt aber auch Theorien, nach denen es dort zu spektakulären Effekten kommt.

Künstlerische Darstellung eines Schwarzen Loches

NASA/JPL-Caltech

Am Ereignishorizont von Schwarzen Löchern könnte es heiß hergehen

Der amerikanische Theoretiker Joseph Polchinski hat etwa vor vier Jahren berechnet, dass Schwarze Löcher von einem ultraheißen Partikelstrom umgeben sein könnten, eine „Firewall“, wie es bald danach in den einschlägigen Medien hieß. Diese „Firewall“ wäre eine mögliche Ursache für das Echo der Gravitationswellen, aber nicht die einzige. Gemeinsam ist all diesen Erklärungen, dass sie auf eine umfassende Theorie verweisen: die Theorie der Quantengravitation, die Schwerkraft und Quantenwelt gleichermaßen zu beschreiben vermag.

Erster Hinweis auf Quantengravitation?

Bisher existiert die Quantengravitation nur als Konzept in den Köpfen der Physiker, direkte Messergebnisse, die die mathematischen Formeln zur Physik machen würden, gab es bisher nicht. Sollte das Echo weiteren Überprüfungen standhalten, „wäre das eine Revolution“, sagt Afshordi gegenüber science.ORF.at.

Der österreichische LIGO-Forscher Sascha Husa sieht das ähnlich, recht daran glauben will er aber nicht - noch nicht. „Ich glaube, das Echo wird sich wieder in Luft auflösen. Die Berechnungen sind schwierig, es braucht enorme Kenntnisse, um solche Signale aus den Daten herauszufiltern.“

Gegenwärtig steht es eins zu 200, dass es sich bei dem Echo um zufällige Schwankungen handelt. Ob die von Afshordi angewandte Methode wasserdicht ist, wird sich frühestens in ein paar Wochen weisen. Die LIGO-Forscher sind bereits fleißig am Rechnen.

Theorie sagt ihr Scheitern voraus

Eine Bestätigung Afshordis wäre jedenfalls ein historisches Kuriosum. Denn in diesem Fall wäre Einsteins Theorie durch die gleichen Messungen sowohl triumphal bestätigt als auch erstmals widerlegt worden. Zumindest, wenn man Abweichungen von der Prognose in streng Popper’scher Manier als Widerlegungen ansieht.

Viele Physiker halten es in diesem Fall eher liberaler und sprechen vom „Zusammenbrechen der Theorie“ oder auch von den „Grenzen der Gültigkeit“. Dass es solche Zonen gibt, sagt bemerkenswerterweise die Relativitätstheorie selbst voraus:

„Normale Theorien haben ihre Grenzen - wo die liegen, muss der Mensch allerdings selbst herausfinden. Bei der Allgemeinen Relativitätstheorie ist das anders: Sie zeigt von sich aus, dass sie nicht alle Orte der Raumzeit korrekt beschreiben kann“, sagt Husa. „Es muss noch andere Dinge geben. Zum Beispiel Quantengravitation.“ Möglicherweise ist auch der Horizont der Schwarzen Löcher so ein Ort: ein blinder Fleck in Einsteins Bild des Universums.

Robert Czepel, science.ORF.at

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