„Auch Schweine haben schlechte Tage“

Zum Jahreswechsel verschenken wir Schweinchen aus Schokolade, Marzipan oder Plastik - sie sollen Glück bringen. Dabei sind die Tiere selbst nicht immer glücklich, sondern haben auch mal einen schlechten Tag, sagen Verhaltensforscher.

Schweine lassen sich in ihrer Laune von der Umgebung beeinflussen. Wie sehr, hängt unter anderem von ihrer Persönlichkeit ab - das haben britische Forscher kürzlich untersucht. Ihr Ergebnis: Durch einen Aufenthalt in einem schönen, großen Gehege mit viel Stroh werden selbst pessimistische Schweine mutig und neugierig. Sie nähern sich dann sogar Gegenständen, die sie mit negativen Erlebnissen verbinden. Umgekehrt kann einem optimistischen Schwein selbst ein enger, karger Stall nicht die gute Laune und Neugier nehmen.

Marianne Wondrak und Kune-Schwein

Marianne Wondrak/Messerli Forschungsinstitut der VetMed Wien

Zur Person

Marianne Wondrak ist Tierärztin und forscht derzeit im Rahmen ihres Doktorats am Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Uni Wien.

„Daraus kann man lernen, dass sich Schweine - ähnlich wie wir Menschen - von ihrer momentanen Stimmung leiten lassen und mit einer bestimmten Grundstimmung an Situationen herangehen“, erklärt die Schweineforscherin Marianne Wondrak vom Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Uni Wien.

science.ORF.at: Das Schwein gilt als Glücksschwein und Drecksau - könnte man beides auf die Persönlichkeit zurückführen?

Marianne Wondrak: Diese Ambivalenz ist für mich als Verhaltensforscherin sehr interessant. Natürlich gibt es in einer Schweinegruppe immer einen, der ein bisschen fies ist. Die Drecksau im eigentlichen Sinne gibt es aber nicht. Schweine sind sehr sauber und sozial, sind immer auf die Gruppe bedacht und gar nicht schmutzig. Dieses Vorurteil muss ich immer weit von mir weisen, weil ich kein saubereres Tier kenne.

Schweine können fies sein? Gibt es einen Fiesling in der Gruppe von Kune Kune Schweinen, mit denen sie arbeiten?

Oh ja, dabei handelt es sich um eine Dame und einen Herren. Sie bahnen sich beispielsweise ihren Weg durch die Gruppe, indem sie jeden in den Hintern zwicken, der ihnen im Weg steht. Manchmal zwicken sie auch einfach so. Die anderen suchen sich ihren Weg oder gehen auch einmal außen herum.

Schweine auf der Wiese

Marianne Wondrak/Messerli Forschungsinstitut der VetMed Uni

Kune Kune Schweine auf der Wiese

Und das Glück - warum stehen Schweine für Glück? Könnte man das auf ihre Persönlichkeit zurückführen, weil sie von Grund auf optimistisch sind?

Man könnte es umgekehrt sagen, dass sie eine positive Ausstrahlung haben, eine, die glücklich macht. Das empfinde nicht nur ich so, das haben mir einige erzählt, die mit Schweinen arbeiten. Man kann nicht genau sagen, was sie an sich haben. Aber egal wie schlecht der Tag gelaufen ist, wenn ich dann noch eine halbe Stunde bei den Schweinen bin und mich mit ihnen abgebe, dann ist einfach wieder alles gut.

Das heißt, Schweine sind die idealen Therapietiere?

Ich denke mir das oft und sie werden ja auch immer öfter dafür eingesetzt.

Gibt es diesen positiven Effekt auch bei Schweinen, die für die Fleischproduktion in Betrieben gezüchtet werden?

Grundsätzlich gilt das für das Wildschwein genauso wie für das Hausschwein im Stall, das Heimtierschwein oder ein Liebhaberschwein. Wenn ich als Tierärztin in Betriebe gegangen bin, wo die Tiere gestresst waren und teilweise schon aggressiv waren, dann hatten diese keine so positive Grundstimmung mehr.

Ö1 Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in der Sendung „Wissen aktuell“ am 30.12. um 13:55.

Aber in Betrieben mit guter Haltung schon. Grundsätzlich kann auch ein hochgezüchtetes Hybridmastschwein immer noch eine angenehme Grundstimmung übertragen, allein durch seine Anwesenheit.

Gibt es auch grantige Schweine, die ihre Eigenheiten haben und von denen man sich besser fern hält?

Es gibt verschiedene Persönlichkeiten, wie beim Menschen auch. Ich vergleiche meine vierzig Schweine immer mit einer Schulklasse. Da gibt es diejenigen, die immer motiviert und fröhlich sind - sie stehen vorne, um mitzuarbeiten. Und dann gibt´s welche, die ihre Launen haben und sich bitten lassen, bevor sie mitarbeiten. Auch Schweine mit einer grantigeren Grundstimmung, die leicht reizbar sind, gibt es. Von Natur aus ist ein Schwein aber weder zornig noch böse.

Wie viele Persönlichkeiten teilt man den Schweinen zu?

In der Verhaltensforschung unterscheidet man vier Persönlichkeiten: optimistisch, pessimistisch, reaktiv und proaktiv. Was bedeutet, dass jemand mutig auf eine Situation zugeht oder sich erst beobachtend in einer Ecke aufhält und abwartet. Ansonsten ist man da sehr vorsichtig mit den Begriffen.

Warum?

Wir, die wir mit den Tieren zusammen arbeiten, kennen deren Persönlichkeiten, die weit über das hinausgehen, was man testen kann. Wir müssen uns auf jedes Tier anders einstellen. Irgendwie muss man das aber messen und deshalb geht man in der Verhaltensforschung immer von recht großen Tiergruppen aus. Auf diese Weise können wir dann das statistische Mittel finden und auswerten. Es ist dann kein Einzelfall.

Können Schweine auch einen schlechten Tag haben?

Natürlich, es kommt durchaus vor, dass ein Schwein an einem Tag brav mitgearbeitet hat und am nächsten zeigt es einem die kalte Schulter.

Wie zeigen sie Ihnen das?

Sie haben ihre Möglichkeiten: Entweder sie kommen hergerannt oder sie halten sich eher in der Ecke auf, drehen sich weg und beschweren sich auch durch gewisse Laute.

Klingt menschlich. Wie sehr darf man hier Parallelen ziehen?

Es gibt ein altes Sprichwort, der Hund schaut zu uns auf, die Katze schaut auf uns herab und das Schwein begegnet uns auf Augenhöhe - das kann man durchaus unterschreiben. Beweisen können wir es noch nicht. Aber je mehr Tests wir machen und je mehr wir Parallelen zu anderen Tierarten sowie zum Menschen aufzeigen können, umso leichter wird es, das eines Tages genau zu bewerten.

Interview: Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

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