Rechtspopulismus ökonomisch erklärt

Mit einem neuen ökonomischen Index versucht eine Forschergruppe die weltweit zunehmend intolerante und fremdenfeindliche Stimmung zu erklären. Diese habe viel mit ökonomisch marginalisierten Wählern in den alten Industriestaaten zu tun.

Der Index liefert laut Andrew Cumbers, Professor für regionale politische Ökonomie an der University of Glasgow, starke Belege dafür, dass es eine Verbindung zwischen fremdenfeindlicher Politik und den sich verändernden Niveaus von ökonomischer Teilhabe und Mitwirkungsmöglichkeiten gibt. So haben die Forscher herausgefunden, dass die ökonomische Demokratie umso schwächer sei, je stärker Armut und Ungleichheit in einem Land ausgeprägt sind.

Die Ergebnisse legen nahe, dass die angloamerikanische Attacke auf die Gewerkschaften und die Politik der flexibleren Arbeitsmärkte Armut und Ungleichheit haben ansteigen lassen, indem sie den Sozialstaat geschwächt und die individuelle Arbeitsplatzunsicherheit erhöht haben.

Schwindende ökonomische Sicherheit

Zwar sei der Rechtsaußenpopulismus überall auf dem Vormarsch, aber der „Brexit“, Trump und die bedenklichen Rechtsrutsche in Osteuropa gingen mit einer schwindenden ökonomischen Sicherheit, der Unterminierung von Arbeitsrechten, entrechteten Gewerkschaften und Kooperativen sowie einer bei den finanziellen, politischen und unternehmerischen Eliten konzentrierten Entscheidungsmacht einher. „Wer Antworten auf die Krise der liberalen Demokratien sucht, könnte hier fündig werden“, so Cumbers.

Das Forscherteam hat für seine Studie den „Economic Democracy Index“ (EDI) entwickelt. Der Index misst, wie stark breite Gesellschaftsschichten an ökonomischen Entscheidungsfindungen partizipieren. Die Faktoren Einfluss von Gewerkschaften und Ausmaß von genossenschaftlichem Eigentum in einem Land wurden durch die Indikatoren „Rechte am Arbeitsplatz und Arbeitnehmerrechte“, „Verteilung von ökonomischer Entscheidungsgewalt“ und „Transparenz und demokratisches Engagement bei der makroökonomischen Entscheidungsfindung“ ergänzt.

„Sehr auffällig ist der grundlegende Unterschied zwischen dem ‚sozialeren‘ Modell des nordeuropäischen Kapitalismus und dem stärker marktgetriebenen angloamerikanischen Modell“, so Cumbers zum Ergebnis.

Soziale Sicherungssysteme

Die skandinavischen Länder erreichen laut Studie die höchsten Bewertungen - nur Österreich, Luxemburg und die Schweiz können mithalten. „Diese Länder haben ausgeprägte soziale Sicherungssysteme und einen starken Arbeitnehmerschutz sowie eine hohe demokratische Partizipation bei der ökonomischen Entscheidungsfindung“, so Cumbers.

Das Gegenteil gelte für die stärker deregulierten, konzentrierten und ökonomisch weniger demokratischen Volkswirtschaften der englischsprachigen Welt. Insbesondere die USA rangieren sehr tief, nur die Slowakei erreicht einen noch geringeren Wert. Großbritannien liegt unter den 32 untersuchten OECD-Ländern auf Platz 25. Frankreich, die Niederlande und Deutschland - EU-Länder, in denen heuer Wahlen stattfinden, liegen auf den Plätzen acht, zehn und 15.

Die Spitzenplätze nehmen der Studie zufolge Dänemark und Schweden ein, an dritter Stelle folgt bereits Österreich vor Luxemburg, Norwegen und Finnland. Am schlechtesten schneidet die Slowakei ab, nur etwas besser die USA und Griechenland.

Problem Osteuropa

Die unterschiedliche Bewertung von Österreich und Deutschland, die wirtschaftlich eigentlich ähnlich aufgestellt seien, spiegle die gewachsene Unsicherheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt und den geringeren Beschäftigungsschutz in Folge der deutschen Hartz-IV-Reform wider, so Cumbers.

Der Index verdeutliche auch das vergleichsweise schwache Niveau von ökonomischer Demokratie in den osteuropäischen Ländern - mit Ausnahme von Slowenien. Die südeuropäischen Volkswirtschaften rangieren wie Japan hinter den nordeuropäischen Ländern. In der Studie wurden 32 OECD-Länder berücksichtigt - Türkei und Mexiko wurden wegen Datenlücken nicht aufgenommen.

science.ORF.at/APA

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