Wiener Physiker „verwischen“ die Zeit

Die Relativitätstheorie und die Quantentheorie sagen seltsame Effekte voraus. Kombiniert man beide Theorien, gerät selbst die Zeit aus den Fugen. Das zeigen Berechnungen von Wiener Physikern.

Wer im obersten Stockwerk eines Wolkenkratzers lebt, altert schneller als jemand, der im Erdgeschoß wohnt. „Gravitative Zeitdilatation“ nennen Physiker diesen Effekt - eine direkte Konsequenz aus der Allgemeinen Relativitätstheorie: Je näher man sich an einer Masse, in diesem Fall der Masse der Erde, befindet, desto langsamer vergeht die Zeit. Zwar ist der Effekt winzig klein und spielt im Alltag keine Rolle. Experimentell bestätigt und allgemein akzeptiert ist er dennoch.

„Exakte Zeitmessung unmöglich“

Allerdings ging Einstein in seiner Theorie davon aus, dass die Zeit, egal ob sie nun schnell oder langsam vergeht, zumindest an jedem Ort genau definiert sein müsste. An dieser Stelle haken nun Forscher um den Physiker Caslav Brukner ein - und bringen eine weitere etablierte Theorie ins Spiel: die Quantenmechanik.

Einer ihrer Bestandteile, die Heisenbergsche Unschärferelation, sagt aus, dass Zeit und Energie eines Systems niemals gleichzeitig exakt bestimmt werden können. Im Fall einer Uhr würde das bedeuten: Je genauer die Zeitmessung, desto unbestimmter (bzw. „unschärfer“) ist ihre Energie. Gemäß Einsteins berühmter Formel E=mc2 bedeutet eine unbestimmte Energie allerdings nichts anderes als eine unbestimmte Masse.

Illustration: Uhren mit usncharfen Zeigern

Juan Carlos Palomino, Fakultät für Physik, Universität Wien

Quanteneffekt: Uhren mit unscharfen Zeigern

„Befände sich nun eine zweite Uhr in der Nähe, würde sie über die Zeitdilatation, verursacht durch die Masse der ersten Uhr, beeinflusst werden“, erklärt Brukner. „Da diese Masse jedoch unscharf ist, ist auch ihr Effekt auf die zweite Uhr nicht genau definiert. Somit ist eine exakte Zeitmessung an beiden Orten unmöglich - der Zeitfluss ist sozusagen ‚verwischt‘.“

Laut Brukner handelt es sich dabei um eine fundamentale Einschränkung in der Genauigkeit von Zeitmessungen - unabhängig vom etwaigen Aufbau und der Funktionsweise einer realen Uhr. Obwohl die Forscher in ihrer Studie die Relativitätstheorie mit der Quantenwelt verknüpft haben, betonen sie, dass sie keinen neuen Ansatz zur lang ersehnten Theorie der Quantengravitation darstellt, die diese beiden Bereiche vereinen würde. „Es ist uns aber gelungen, einzelne Standardformulierungen aus der Quantenmechanik und der Relativitätstheorie so zu kombinieren, dass dabei keine Widersprüche auftreten“, so Brukner.

science.ORF.at/APA

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