Urmenschen-DNA untersuchen ohne Knochen

Die Urgeschichte der Menschheit zu beschreiben, ist nicht ganz einfach: Funde versteinerter Knochen von Urmenschen sind zumeist Mangelware. Eine neue Methode könnte die Forschung revolutionieren: Sie findet im Sand und Staub Überreste menschlicher DNA.

Ein Team um Matthias Meyer vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI) in Leipzig hat die Methode erfolgreich ausprobiert: Die Forscher untersuchten Bodenproben aus sieben bekannten Fundstätten in Europa, die zwischen 14.000 und mehr als 550.000 Jahre alt sind. In fünf davon konnten sie Erbgut von Frühmenschen nachweisen.

„Wir wissen, dass einige Bestandteile von Sedimenten DNA binden können“, sagt Meyer. Die entdeckten Erbgut-Schnipsel stammten demnach von Weichteilen, die keine fossilen Spuren hinterlassen.

Typisch menschliche Erbgut-Schnipsel

Den größten Teil des Erbguts konnten die Forscher keinem Lebewesen zuordnen, und von den zuordenbaren stammte ein Großteil von Mikroorganismen. Die Anthropologen fanden aber auch genetische Spuren von verschiedenen Säugetieren, darunter ausgestorbenen wie dem Mammut, dem Wollnashorn und der Höhlenhyäne.

Die Gruppe um Meyer konzentrierte sich auf die mitochondriale DANN, die für die Energieversorgung der Zellen zuständig sind. Diese DNA sei „trotz ihrer geringen Größe informativ, wegen ihrer hohen Entwicklungsgeschwindigkeit in Säugetieren“, schreiben die Wissenschaftler.

Die Höhle El Sidrón in Spanien: Auch hier haben Forscher DNA-Spuren im Boden gefunden

El Sidrón Forschungsteam

Höhle El Sidrón in Spanien: Auch hier wurden DNA-Spuren im Boden gefunden

Dennoch war die Aufgabe nicht einfach: „Erste Ergebnisse ließen uns vermuten, dass die meisten Proben das Erbgut zu vieler anderer Säugetierarten enthielten, um darin Spuren menschlicher DNA zu entdecken“, sagt Viviane Slon vom Leipziger MPI und Erstautorin der Studie. „Also änderten wir unsere Herangehensweise und nahmen bei unserer Analyse ganz speziell DNA-Fragmente menschlichen Ursprungs ins Visier.“

Viermal Neandertaler, einmal Denisova

In den Ablagerungsproben von fünf der sieben untersuchten Ausgrabungsstätten fanden die Forscher Erbgut von Frühmenschen: viermal vom Neandertaler und einmal vom Denisova-Menschen. Die Sedimente der belgischen Höhle Trou Al’Wesse wiesen Neandertaler-Gene auf, obwohl dort bisher nur Tierknochen und Werkzeuge gefunden worden waren.

„Anhand von DNA-Spuren im Sediment können wir nun an Fundorten und in Gebieten die Anwesenheit von Urmenschen nachweisen, wo dies mit anderen Methoden nicht möglich ist“, sagt Svante Pääbo, Direktor der Abteilung für Evolutionäre Genetik am MPI. Sogar Sedimentproben, die jahrelang bei Zimmertemperatur eingelagert waren, enthielten noch DNA.

Vindija-Höhle in Kroatien, eine der Fundstätten

MPI f. evolutionäre Anthropologie/ J. Krause

Vindija-Höhle in Kroatien, eine der Fundstätten

Der Stammbaum des Menschen

Nach der gegenwärtig am stärksten vertretenen Out-of-Africa-Hypothese breitete sich die Gattung Homo von Afrika aus über die Welt aus: Als erstes gelangte demnach Homo erectus vor etwa 1,9 Millionen Jahren nach Asien und Europa. Vermutlich entwickelte sich aus ihm in Europa der Neandertaler, in Afrika der Homo sapiens. Dieser moderne Mensch verließ dann vor 60.000 bis 70.000 Jahren den afrikanischen Kontinent und zog über die Erde.

Der Denisova-Mensch ist erst seit wenigen Jahren bekannt: 2008 fanden russische Archäologen einen Knochen und Zähne in Südsibirien. Es handelt sich um eine weit entfernte Schwestergruppe der Neandertaler. Während diese vor allem in Europa und Westasien lebten, zogen Denisova-Menschen durch Ostasien. Sie lebten vermutlich noch vor etwa 40.000 Jahren im zentralasiatischen Altai-Gebirge. Der Neandertaler hingegen starb nach bisherigen Erkenntnissen vor etwa 40.000 Jahren aus.

science.ORF.at/dpa

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