Ein Vorbild für Frauen heute?

Vor 300 Jahren ist die erste und einzige Habsburgerin zur Welt gekommen, die einen Thron besteigen sollte: Maria Theresia. Ist diese Frau, der man nachsagt, perfekt gewesen zu sein, ein Vorbild für Frauen im 21. Jahrhundert?

Die Lebensaufgaben der Habsburger Erbin waren vielschichtig: Ehefrau des Herzogs von Lothringen, Mutter von sechzehn Kindern und absolutistische Herrscherin von Österreich und Ungarn. Letzteres war die große Ausnahme in der Epoche der Moderne. Einer Frau wurde schon aufgrund ihres Körpers und der Fähigkeit, Kinder zu gebären, bis dahin die Hoheitsgewalt aberkannt.

So wurde Maria Theresia in der Mitte des 18. Jahrhunderts auch zum „König“ und nicht zur „Königin“ von Ungarn gekrönt.

Maria Theresia als ungarische Königin mit Hermelinmantel sowie Erzherzoghut und Hauskrone. Martin van Meytens, um 1750

SKB Edgar Knaack

Maria Theresia als ungarische Königin mit Hermelinmantel sowie Erzherzoghut und Hauskrone, Porträt von Martin van Meytens, um 1750

Schon Maria Theresias Großvater, Leopold I., musste bis zum 38. Lebensjahr und seiner dritten Ehe warten, um einen männlichen Erben zu bekommen. Als dieser später nur Töchter vorweisen konnte, veränderte sein Vater 1703 das Erbfolgegesetz zugunsten der Erstgeborenen - sollte kein männlicher Nachfolger zur Welt kommen.

Die Frau an der Macht

Glück für die junge Maria Theresia: Mit 23 bestieg sie den Thron. Doch nur kurze Zeit später, 1741, besetzten preußische Truppen unter der Herrschaft von Friedrich II. die reichste Region der Habsburger: Schlesien. Der Grund war klar: Einer Frau traute man die Herrschaft über das große Reich nicht zu. Österreich schien nun leicht zu schlagen zu sein. Der Angriff war der Auftakt zu einem Krieg in Europa, an dem sich auch Frankreich und Bayern beteiligten. Anfangs sah sich die junge Monarchin mit einer Niederlage nach der anderen konfrontiert.

Sendungshinweise

„Universum History“: Maria Theresia - Majestät und Mutter am 2.5. um 21.05 Uhr und am 3.5. um 11.50 Uhr sowie Maria Theresia: Eine Kaiserin gegen Preußens Friedrich am 5.5. um 22.45 Uhr, jeweils ORF2.

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Die Wende gelang Maria Theresia schließlich mit ihrer Krönung zum „König“ von Ungarn. So standen ihr 20.000 Soldaten mehr für den Kampf gegen die gegnerischen Truppen zur Verfügung.

Ein taktischer Zug, für den sie auch ihre Weiblichkeit eingesetzt hatte: Sie versammelte den gesamten ungarischen Adel und präsentierte sich als eine verzweifelte Mutter. Die Magnaten waren gerührt von dem Mut der jungen Frau, die sich und ihren Sohn, den Thronfolger, ihrer Obhut anvertraut hatte. Die Folge: Maria Theresia gewann verloren geglaubte Gebiete zurück.

Die Schauspielerin Gerti Drassl als Maria Theresia

ORF/Interspot Film

Die Schauspielerin Gerti Drassl als Maria Theresia in „Universum History“

Mutter und Kriegsherrin

Die Mehrfachbelastung, der diese Frau ausgesetzt gewesen war, zeigte sich vor allem zu Kriegszeiten. Von ihrem Regierungsantritt 1740 bis zum Ende des Siebenjährigen Kriegs 1763 vergingen 23 Jahre. In fast demselben Zeitrahmen brachte Maria Theresia dreizehn Kinder zur Welt und kümmerte sich um deren Erziehung. Auch musste sie mit schweren Krankheiten der Kinder fertigwerden und sogar mit dem Tod zweier von ihnen.

Im Gegensatz zu ihrer Mutter, die einst an ihr und ihre Schwester nur oberflächlich interessiert gewesen war: „Die eine (Maria Theresia) hat eine Erkältung und ist extrem mager, die andere ist lediglich zu dick“, schrieb sie einmal in einem Brief. Maria Theresia hingegen wusste über die Stärken und Schwächen jedes ihrer Kinder genau Bescheid und förderte deren Entwicklung.

Eine Liebesheirat wie die ihre gewährte sie allerdings nur einem ihrer sechzehn Kinder: der Lieblingstochter Marie Christine. Alle anderen Nachfahren wurden zugunsten der Sicherung des Habsburgerreiches an Thronfolger anderer Länder verheiratet.

Gemälde von Maria Theresia und Joseph II., Bezirksmuseum Wien.

ORF/Interspot Film

Gemälde von Maria Theresia und Joseph II., Bezirksmuseum Wien

Neu aufgetauchte Briefe von Maria Theresia an ihre Hofdame Sophie Enzenberg zeigen, dass es ihr als Mutter aber alles andere als leicht fiel, ein Kind nach dem anderen zu verabschieden. Am Ende ihres Lebens verfiel sie in eine tiefe Depression.

„Meine liebe Enzenberg, ich besitze keinen einzigen Diamant mehr. Ich habe alles verteilt. Während die elegante Welt in den kaiserlichen Appartements feiert, bin ich alleine in meinem mit grauem Tuch bespannten Zimmer nur mit zwei Kerzen. Alles, was einen Schatten von Freude hat, macht mich schwermütig und alles Düstere ist mir angenehm.“

Ehefrau und Herrscherin

Obzwar Kaiserin genannt, war Maria Theresia es offiziell nie. Sie ließ ihrem Gemahl den Vortritt. 1745 wurde Franz Stephan von Lothringen zum Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches gekrönt. Eingefädelt hatte den Deal mit den Kurfürsten freilich die selbstbewusste Habsburgerin. „Immerhin war die Kaiserwürde lange Zeit in der Familie Habsburg, und das war auch den neuesten Forschungserkenntnisse zufolge wirklich eine große Leistung, dass sie diese Würde wieder zurückgeholt hat“, so die Historikerin Elfriede Iby von der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H.

Die französische Philosophin Elisabeth Badinter

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Die Philosophin Elisabeth Badinter

Andererseits war Maria Theresia dadurch auch ihren Mitregenten los. Jetzt hatte sie wieder die ungeteilte Macht über die Erblande, und ihr Gemahl verwaltete nur ein Phantomreich, so die französische Philosophin Elisabeth Badinter, in ihrem Buch „Die Macht der Frau“ (Leseprobe als PDF).

Iby glaubt hingegen, dass die Ehepartner die Stärken des anderen erkannt haben und ihnen nicht dran gelegen war, sich gegenseitig zu behindern: „Maria Theresia hat das wirtschaftliche Talent ihres Mannes erkannt und ihn in diesem Bereich auch entsprechend wirken zu lassen. Es ist belegt, dass Franz Stephan trotz seines mangelnden Ehrgeizes zum Regieren einer der wichtigsten Berater Maria Theresias seit Beginn ihrer Ehe war.“

Wichtige politische Entscheidungen fällte die Monarchin jedoch weiterhin allein – manchmal auch gegen den Willen des Gatten, wie etwa wenn sie sich in späteren Jahren die von Franz Stephan verhassten Preußen zu Verbündeten machte. Im Gegensatz zu anderen Herrscherinnen teilt Maria Theresia mit ihrem gutaussehenden Gemahl aber lebenslang Tisch und Bett. Auch verzieh sie ihm die eine oder andere Affäre, sogar als er im Alter ernsthaft für eine andere entflammte.

Nach seinem Tod ließ sie sich als Zeichen der Trauer die Haare abschneiden und trug Schwarz. Verliebt hatte sie sich übrigens bereits im Alter von sechs Jahren in den um neun Jahre älteren Cousin zweiten Grades.

Königin und Volk

Innerpolitische Reformen wie die Einführung der Schulpflicht und Steuern für alle Stände machten das Haus Österreich unter Maria Theresia zu einem modernen Staat.

In Sachen Moral war die Monarchin jedoch streng bis zur Bigotterie, vor allem nach dem Tod des Gemahls. 1752 ließ sie eine Keuschheitskommission einführen. Ehebruch wurde geahndet, meistens bei Frauen strenger als bei Männern. Prostituierte wurden deportiert, und kurze Röcke waren ebenso verboten wie zu weit dekolletierte Korsetts.

Die Historikerin Elfriede Iby

Dieter Nagl

Die Historikerin Elfriede Iby

Die Frage, was sie konkret für Frauen getan habe, sei nicht leicht zu beantworten, so Iby, da Frauenrechte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch kein Thema waren und auch große soziale Unterschiede vorgeherrscht hatten. Sie selbst hatte ihre Rolle als weibliche Herrscherin nicht als ein „Frauenthema“ gesehen, sondern ihre Herrscherrolle als überaus gläubige Katholikin durchaus im Sinne des „gottgewollten Gnadentums“ und aus diesem Grund legitimiert gesehen.

Badinter ist sich dennoch sicher, dass Maria Theresia ein Vorbild für die Frauen im 21. Jahrhundert ist: „Sie ist die einzige Frau, die einzige Herrscherin ihrer Zeit, die die drei Rollen der Frau gleichzeitig auszufüllen vermochte. Herrscherin, Mutter und liebende Ehefrau.“

Doris Plank, Universum History

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