Sanktionen für österreichische Forscher

Die Verstimmung zwischen Österreich und der Türkei geht auch in der Wissenschaft weiter: Bis dato fehlt eine Genehmigung für Grabungen in den antiken Städten Ephesos und Limyra. Forschungsvisa werden verweigert - zum Schaden der heimischen Forschung.

„Der Status Quo ist der, dass wir weiterhin der Lizenzträger dieser Grabungen sind, eben aber aufgrund der fehlenden Arbeitsgenehmigungen noch nicht beginnen konnten“, so Sabine Ladstätter, Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI). Eigentlich wollte das rund 100-köpfige Team um Ladstätter schon im Mai beginnen, nun ist es bald Ende Juni. Und es könnte sein, dass heuer zum ersten Mal seit vielen Jahren Schaufeln, Spitzhacken und Analysegeräte ruhen.

Keine Forschungsvisa für Österreich

Die Zeit laufe ihnen davon, so die Archäologin, die es bedauert, dass die Wissenschaft zu einem außenpolitischen Faustpfand geworden sei: „Es ist die konsequente Umsetzung dessen, was Minister (Mevlüt, Anm.) Cavusoglu im Dezember des letzten Jahres gesagt hat, nämlich Ephesos auf allen Ebenen zu blockieren. Das heißt für uns ganz konkret, dass sowohl unsere eigenen Lizenzen, also Ephesos und Limyra, nicht durchgeführt werden können, aber auch unsere Kooperationsprojekte beispielsweise mit den türkischen Partnern blockiert sind.“

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichten auch die Ö1-Journale, 19.6., 7:00 Uhr.

Konkret betroffen etwa ist ein Projekt mit der Universität Ankara in Teos an der türkischen Westküste. Vor einigen Tagen hat das ÖAI erfahren, dass auch hier keine Arbeitsgenehmigungen für österreichische Forscherinnen und Forscher erteilt werden, so Ladstätter. Forschungsvisa werden selbst dann verweigert, wenn Österreicherinnen und Österreicher im Rahmen eines internationalen Teams in die Türkei einreisen möchten. „Auch mich hat es getroffen. Ich bin auf einer amerikanischen Liste einer Grabung in der Nähe von Ephesos gestanden, und auch ich habe leider kein Forschungsvisum erhalten.“

Immer mehr Geldgeber springen ab

Für die heimische Archäologie ist das nicht nur momentan eine bedauerliche Situation, sie könnte langfristige Auswirkungen haben. Denn mittlerweile werden österreichische Forschungsanträge zum Thema Ephesos insbesondere von europäischen Geldgebern abgelehnt, berichtet Sabine Ladstätter. Begründung: Es sei zu unsicher, ob die Vorhaben umgesetzt werden können. „Es ist zu befürchten, dass internationale Einrichtungen und andere Universitäten mit den türkischen Kollegen große Projekte entwickeln, und österreichische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht in die Teams aufnehmen, weil das Risiko einfach zu groß ist, dass man uns eben immer ablehnt.“

Besonders problematisch ist die Situation für die Doktoratsstudierenden und Post-docs, die in sehr kurzfristigen, oft prekären Arbeitsverhältnissen stecken. Für sie ist ein Jahr finanzieller und forschungstechnischer Unsicherheit sehr lang. „Da besteht natürlich die Gefahr, dass sie abspringen oder abspringen müssen und ihre Arbeiten einfach nicht fertig machen können.“

Trotzdem hat Sabine Ladstätter noch Hoffnung, schließlich wurden Österreich die Grabungslizenzen nicht gänzlich entzogen, was die Archäologin als Signal für Gesprächsbereitschaft deutet. Es müsste gelingen, die Wissenschaft aus der Tagespolitik herauszuholen - wie hoch die Chancen sind, das möchte die Forscherin nicht kommentieren.

Stellungnahmen der Ministerien*

Das österreichische Wissenschaftsministerium hält in einer Stellungnahme auf Anfrage von Ö1 fest, man bedauere die Entscheidung der Türkei, die österreichischen Grabungen in Ephesos und Limyra im letzten Jahr vorzeitig zu beenden. Nun müsse man die weiteren Schritte der Türkei abwarten und sei mit den zuständigen Stellen in Kontakt.

Das Außenministerium betont, es arbeite unter Einbeziehung der österreichischen Botschaft in Ankara daran, dass die Türkei die wissenschaftliche Kooperation wieder aufnimmt. Unabhängig davon werde man aber „von der klaren Haltung zum EU-Beitrittsprozess nicht abrücken“, heißt es aus dem Außenministerium.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

* Die Stellungnahmen der österreichischen Ministerien wurden nachträglich ergänzt.

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