So könnte die allererste Blüte ausgesehen haben
Die ersten Blütenpflanzen (Angiospermen oder Bedecktsamer) entstanden vor rund 140 Millionen Jahren in der Kreidezeit, als noch Dinosaurier auf der Erde lebten. Bisher wurde angenommen, dass diese eingeschlechtlich waren und die Blütenhülle aus spiralig angeordneten Organen bestand, ähnlich wie die Samenschuppen eines Kiefernzapfens. Ein internationales Forschungsnetzwerk, das „eFLOWER project“, hat das nun widerlegt, so die Universität Wien in einer Aussendung.
Hervé Sauquet/Jürg Schönenberger
Die Studie
„The ancestral flower of angiosperms and its early diversification“, Nature Communications, 1.8.2017
36 Wissenschaftler aus 13 Ländern haben Informationen über 27 Blütenmerkmale von knapp 800 heute vorkommenden Arten gesammelt. Das sei der umfangreichste Datensatz, der je zu Blütenmerkmalen analysiert worden sei, so Projektkoordinator Jürg Schönenberger von der Universität Wien gegenüber der APA. Mit Hilfe mathematischer Evolutionsmodelle konnte das Forschungsteam die Urblüte rekonstruieren: Sie muss eine Blütenhülle aus mehreren Kreisen mit je drei Blütenhüllblättern gehabt haben, wie etwa 20 Prozent der heute lebenden Arten. Diese besitzen jedoch niemals so viele Kreise: Lilien haben zwei, Magnolien meist drei. Außerdem weise die Urblüte sowohl männliche als auch weibliche Organe (Staubblätter und Blütenblätter) auf. Sie sei also zweigeschlechtlich und nicht eingeschlechtlich, wie bisher angenommen.
Blüte macht Pflanzen erfolgreich
Die Urblüte unterscheide sich somit von allen heute lebenden Arten, so Schönenberger. Ausgehend von dieser ersten Art entwickelten sich die Blütenpflanzen in ganz verschiedene Richtungen und sind heute mit mindestens 300.000 Arten die größte Pflanzengruppe. Der Erfolg der Angiospermen wird in erster Linie in Zusammenhang mit der Evolution der Blüte gesehen, so Schönenberger. „Die Blüte ermöglicht eine effiziente Bestäubung durch Tiere, insbesondere Insekten, da durch einen oder wenige Blütenbesucher alle Samen einer Blüte befruchtet werden“, erklärte der Wissenschaftler. Das sei ein Vorteil gegenüber der Windbestäubung.
Hervé Sauquet/Jürg Schönenberger
Obwohl es auch Nacktsamer gibt, die von Tieren bestäubt werden, haben erst Angiospermen die Tierbestäubung und verschiedene Methoden der Anlockung, Belohnung oder auch Täuschung perfektioniert. Zur Zeit der Urblüte habe es schon verschiedene der heute existierende Insektengruppen gegeben, so Schönenberger. Käfer und Fliegen kamen bereits vor 140 bis 200 Millionen Jahren als Bestäuber infrage: „Fliegen mit ihren Rüsseln besuchten Blüten vor allem wegen des Nektars, während Käfer mit ihren Kauwerkzeugen wohl eher an Pollen und anderen Blütenteilen interessiert waren.“
Gegenüber den Nacktsamern haben Angiospermen außerdem den Vorteil, dass die Samen in ein Fruchtblatt oder eine Frucht eingeschlossen und somit während der Entwicklung geschützt seien. Daher der wissenschaftliche Name Bedecktsamer. Zudem könnten sie so laut Schönenberger vielfältige Fruchtverbreitungsmechanismen nutzen, bei denen Tiere auch eine wichtige Rolle spielen.
Entwicklungsschritte rekonstruiert
Die neue Studie liefere ein plausibles Szenario für die erfolgreiche Evolution der Blütenpflanzen und ihrer Blütenvielfalt. Die Forscher konnten zudem rekonstruieren, wie die Blüten an allen anderen Schlüsselstellen im Stammbaum der Blütenpflanzen aussahen, beispielsweise bei den Urahnen der Monokotyledonen (unter anderem Orchideen, Lilien, Gräser) und der Eudikotyledonen (Mohnblumen, Rosen, Sonnenblumen).
„Zum ersten Mal haben wir eine klare Vorstellung der frühen Evolutionsgeschichte der Blüten und dies sogar über die ganze Vielfalt der Angiospermen hinweg“, so Maria von Balthazar, Spezialistin für Blütenentwicklung und Morphologie an der Uni Wien. Mit dem nächsten Analyseschritt wurde daher bereits begonnen: Anhand des eFLOWER-Datensatzes werden bekannte fossile Blüten aus der Kreidezeit möglichst genau im Stammbaum der Angiospermen platziert.
science.ORF.at/APA