Ein Stift, der Krebsgewebe erkennt

US-Forscher haben einen Stift entwickelt, der innerhalb von zehn Sekunden erkennt, ob ein Stück Gewebe krebsartig oder gesund ist. Operationen sollen dadurch präziser, schneller und sicherer werden.

Bei vielen Krebserkrankungen wird Tumorgewebe operativ entfernt. Der Chirurg muss während der Operation entscheiden, wie viel er rausschneidet. Mit freiem Auge ist meist nicht zu erkennen, welches Gewebe noch bösartig und welches schon gesund ist. Derzeit arbeitet man mit Gewebsproben, die während des Eingriffs entnommen und pathologisch untersucht werden.

„Das dauert in der Regel zwischen 15 und 30 Minuten“, erklärt Sebastian Schoppmann vom Comprehensive Cancer Center der MedUni Wien gegenüber science.ORF.at. „In den meisten Fällen ist das eine Narkosezeit, die eigentlich umsonst ist“, so der Tumorchirurg. Dadurch steigt für die Patienten das Infektionsrisiko, und auch die Narkose muss entsprechend stark dosiert sein.

Zudem ist die Diagnose oft sehr ungenau. Besonders bei manchen Krebsarten liefert der pathologische Befund keine eindeutigen Ergebnisse, wie die Forscher um Livia S. Eberlin von der University of Texas in Austin in einer Aussendung erklären. „Manche Gewebe wie z. B. jenes der Schilddrüse sind bei der pathologischen Schnelluntersuchung sehr schwierig zu diagnostizieren“, so Schoppmann. Manchmal bleibe einem nichts anderes übrig, als den histologischen Befund abzuwarten und, wenn es sein muss, noch einmal zu operieren. Denn für den Erfolg einer Operation ist entscheidend, dass zwar genug rausgeschnitten wird, aber auch nicht zu viel, um unerwünschte Nebenwirkungen wie Nervenschäden bei Brustkrebs vorzubeugen.

Fingerabdruck der Krebsart

Das interdisziplinäre Team um Eberlin hat nun ein Gerät entwickelt, das die Diagnose genauer, schneller und sicherer machen soll. Es handelt sich um einen elektronischen Stift, der an ein Massenspektrometer angeschlossen ist.

Die Idee dahinter: Alle lebenden Zellen - gesund oder kanzerös - produzieren Stoffwechselprodukte. Anhand dieser kleinen Moleküle lassen sich die Gewebsarten auch unterscheiden. Denn Krebszellen haben einen anderen Stoffwechsel als gesunde Zellen. Jede Krebsart produziert außerdem andere Biomarker, man kann sie laut den Forschern daher wie eine Art Fingerabdruck zur Identifizierung der Krebsart heranziehen.

Ein Tropfen Wasser

Der Stift nimmt die Moleküle über einen Tropfen Wasser auf, der in das Massenspektrometer weitergeleitet wird. Der molekulare Fingerabdruck wird dann mit jenem von normalem und bösartigem Gewebe verglichen. In der Datenbank befinden sich derzeit Analysen von Brust-, Lungen-, Schilddrüsen- und Eierstockkrebs. Innerhalb von zehn Sekunden erscheint auf einem Bildschirm das Wort „normal“ oder „krebsartig“.

Bei Tests mit menschlichen Gewebsproben erwies sich das Diagnosetool zu über 96 Prozent als zuverlässig. Auch in Grenzregionen zwischen gesundem und bösartigem Gewebe sei das Gerät sehr treffsicher, berichten die Forscher. Die Qualität einer solchen Analyse steige natürlich mit der Größe der Datenbasis, so Schoppmann.

Video: So funktioniert der Stift

Er hält die Methode für sehr vielversprechend. Besonders attraktiv sei, dass sie das Gewebe völlig unangetastet lässt und dass man innerhalb von zehn Sekunden eine Diagnose erhält. Auch für minimalinvasive Eingriffe - die heute bis zu 70 Prozent der Operationen ausmachen - sei ein Einsatz vorstellbar. „Aus Sicht der Patienten ist es jedenfalls sehr wünschenswert, dass schon während der Operation entschieden wird, ob das Gewebe nun bösartig oder nicht ist - und auch gleich zu wissen, ob tatsächlich das gesamte bösartige Gewebe entfernt wurde“, so Schoppmann.

Erfolgreich getestet wurde der Stift von den Forschern bereits an Mäusen, denen operativ ein Tumor entfernt wurde. Die neue nicht invasiven Technologie soll ihnen zufolge schon 2018 bei echten Krebsoperationen getestet werden.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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