Warum fossile Mammuts meist männlich sind

Ein urzeitlicher „Gender-Bias“ stellt die Wissenschaft vor ein Rätsel: Sieben von zehn sibirischen Mammutknochen stammen von männlichen Tieren. Warum? Schwedische Biologen glauben nun die Lösung gefunden zu haben.

„Nachdem das Verhältnis von Weibchen zu Männchen bei der Geburt höchstwahrscheinlich ausgeglichen war, mussten wir nach einer Erklärung suchen“, sagt Patricia Pecnerova vom Naturhistorischen Museum in Stockholm. Die Erklärung haben Pecnerova und ihre Kollegen soeben im Fachblatt „Current Biology“ vorgestellt, sie lautet:

Den männlichen Mammuts könnte ihre ungestüme Natur zum Verhängnis geworden sein. Sie brachen wohl häufiger auf den Eisflächen von Seen ein oder versanken in Sümpfen, wo ihre sterblichen Übererste dann konserviert wurden.

Todesursache: Mangelnde Erfahrung

Das hat nicht nur mit Hormonen oder Risikobereitschaft zu tun, sondern vor allem mit der Sozialstruktur der Wollhaarmammuts. Die Art Mammuthus primigenius lebte nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach so ähnlich wie es die heutigen Elefanten tun: Erfahrene Weibchen bildeten mit den Jungtieren große Herden, während sich junge Männchen zu „Junggesellen-Gruppen“ mit größerem Aktionsradius zusammenrotteten.

Rekonstruktion: Mammuts und Wollnashorn

Peter Novák

Die Knochen von 98 Mammuts haben die Forscher in ihrer Studie untersucht - sie stammen aus Sibirien und von der Wrangelinsel im Arktischen Ozean

Ältere Männchen indes zogen häufig auf eigene Faust durch die Eislandschaften Sibiriens. „Ohne den Schutz der Herde und ohne die Gegenwart erfahrener Weibchen liefen Mammut-Männchen eher Gefahr, in natürliche Fallen zu tappen, zum Beispiel in Felsspalten oder Moore“, sagt Love Dalen, ein Co-Autor der Studie.

Fallen als fossile Fundgruben

Knochen von anderen eiszeitlichen Fundstätten sprechen für diese These: Viele paläontologische Hotspots - von heißen Quellen in South Dakota, USA, bis hin zu ehemaligen Eisseen in Condover, England - verdanken ihren Reichtum an Anschauungsmaterial dem Umstand, dass dort urzeitliche Tiere bei Unfällen verendet sind.

Einen ähnlichen „Gender-Bias“ hatten schon frühere Untersuchungen festgestellt. Die Überreste von Wildpferden aus Asphaltgruben in Los Angeles („La Brea Tar Pit“) sowie jene des ausgestorbenen Nashorns Teleoceras stammen ebenfalls größtenteils von Männchen. Auch hier dürfte die soziale Geschlechtertrennung für den Überhang verantwortlich sein, vermutet Pecnerova.

Was allerdings nicht bedeutet, dass allein die Männchen ausgestorbener Wirbeltierarten riskant lebten. In den erwähnten Asphaltgruben in Los Angeles befinden sich auch Bisonknochen, und die stammen überwiegend von weiblichen Tieren: Wohl deshalb, weil die Bisonweibchen bevorzugt im Frühjahr durch diese Region wanderten - zu einer Jahreszeit, da der Asphalt besonders klebrig war.

Robert Czepel, science.ORF.at

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