Jagd verändert Braunbär-Evolution

Mehr als 30 Jahre haben Forscher das Leben von 900 Braunbären in Skandinavien begleitet. Eine Auswertung der Daten zeigt nun, wie sehr der Mensch und vor allem die Jagd die „Lebensgeschichte“ und die Evolution der Wildtiere beeinflusst.

Die umfassenden Daten verdeutlichen, dass der Mensch zum Hauptfaktor für die Evolution geworden ist, sagt Andreas Zedrosser, der am University College of Southeast Norway und am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Universität für Bodenkultur Wien tätig ist.

Braunbär in Wildpark

AFP PHOTO / SVEN HOPPE

Braunbär in Wildpark

Der Kärntner ist seit Ende der 1990er Jahre in das 1984 gestartete, groß angelegte „Scandinavian Brown Bear Project“ involviert. Mittels Sendern spüren die Forscher seither Braunbären nach, vor allem in Schweden. Das sei durchaus erstaunlich, denn in der Regel würden derartige Projekte nur wenige Jahre lang finanziert.

Die Studie

„Regulated hunting re-shapes the life history of brown bears“, Nature Ecology & Evolution, 11.12.2017

Über das Leben großer Tiere mit recht langen Lebensspannen - Braunbären können immerhin bis 30 Jahre alt werden - lasse sich daher oft tatsächlich wenig sagen. Zedrosser und Kollegen verfolgen daher den Anspruch, den Tieren von der Geburt bis zum Tod wissenschaftlich zu folgen. Dabei zeigte sich, dass die Braunbären nur selten ein höheres Alter erreichen. Im Durchschnitt sind den Tiere lediglich rund fünf Jahre gegönnt.

Zehn Prozent gejagt

In Schweden werden jährlich rund zehn Prozent der ungefähr 3.000 Braunbären gejagt. Diese Quote sei relativ hoch. „Das durchschnittliche Alter bei der Reproduktion liegt aber bei ungefähr fünf Jahren. Das heißt viele Bären werden gar nicht so alt, dass sie Nachkommen zeugen können. Alleine schon das zeigt, wie groß der Einfluss auf das System ist“, erklärt Zedrosser.

Der Gedanke, dass der Mensch kaum Auswirkungen auf das Leben dieser Wildtiere hat, sei daher falsch. „Wir leben im Zeitalter des ‚Anthropozäns‘ - wo der Mensch einfach der große Einflussfaktor wird“, so Zedrosser. Vor allem bei solch großen Tieren, die lange in relativ natürlichen Umgebungen leben, hätte man dies lange unterschätzt. Wie sehr das auf die Entwicklung der Art „Braunbär“ zutrifft, werde mittlerweile eben auch im hohen Norden sichtbar.

Paradoxe Selektion

Neben unbeantworteten ethischen Fragen müsse man die Frage stellen, wie der Mensch hier indirekt ein Tier „genau auf das momentan herrschende System anpasst“. Wie das geschieht, zeige sich etwa an der Aufzucht der jungen Bären: Während genetisch sehr gut ausgestattete Bärenmütter in etwa alle zwei Jahre Nachwuchs haben, behalten weniger gut ausgestattete, kleinere Bärinnen ihren Nachwuchs meistens ein Jahr länger bei sich, um ihm bessere Überlebenschancen zu sichern. In Schweden dürfen Bären, die im Familienverband unterwegs sind, jedoch nicht geschossen werden. Das heißt, dass paradoxerweise die Überlebenschancen von genetisch weniger gut ausgestatteten Müttern deutlich steigen. Zedrosser: „Es findet eine unbewusste Selektion in Richtung weniger reproduktiver Tiere statt.“

So rufe der Mensch genetische Veränderungen in der Population hervor, auch wenn sich die Gesamtanzahl der Tiere nicht dramatisch verändert. Das könne dann zum Problem werden, wenn sich die Umstände beispielsweise durch den Klimawandel ändern. Hier zeigt sich: „Wie wir die Natur beeinflussen geht oft ganz andere Wege als wir denken“, sagte der Wissenschaftler.

science.ORF.at/APA

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