Warum Mangaben kein Aids bekommen

Das SI-Virus, die Affenvariante von HIV, ist für viele Primatenarten tödlich. Nur die Mangaben aus der Gruppe der Meerkatzen haben mit dem Virus kein Problem. Forscher haben jetzt herausgefunden, wie sie sich vor Aids schützen.

Wie das SI-Virus (SIV) erstmals in den Körper von Menschen gelangt ist und sich dort zum tödlichen HI-Virus entwickelt hat, ist bis heute nicht lückenlos geklärt. Der fatale Sprung über die Artgrenze dürfte mehrfach passiert sein - wohl schon während der Kolonialzeit, denn die Ursprünge der HI-Viren lassen sich bis in die 1910er Jahre zurückverfolgen.

Gesichert ist: SIV stammt aus Afrika und befällt dort rund 40 verschiedene Affenarten. Schimpansen etwa entwickeln ein ganz ähnliches Krankheitsbild wie Menschen, sie sterben an Aids. Noch schlimmer ist es bei den aus Asien stammenden Rhesusaffen. Sie entwickeln bereits ein bis zwei Jahre nach einer Infektion die tödliche Immunschwächekrankheit - das allerdings nur im Labor, in freier Wildbahn kommen sie nämlich mit dem SI-Virus nicht in Kontakt.

Mutationen schützen vor Aids

Bei den Rußmangaben, eine westafrikanische Primatenart aus der Gruppe der Meerkatzen, ist das anders. Jedes zweite Tier ist mit dem SI-Virus infiziert. Doch das scheint sie kaum zu stören: Aids tritt bei den Rußmangaben schlichtweg nicht auf (siehe Grafik).

Rußmangabe, eine Primatenart aus der Gruppe der Meerkatzen

Yerkes National Primate Research Center, Emory University, Atlanta, GA, USA

Warum bekommen Rußmangaben kein Aids?

Warum das so ist, war bis vor kurzem unbekannt. Forscher aus den USA und Deutschland haben nun das Erbgut der Rußmangaben sequenziert und mit jenem des Menschen und anderen Primaten verglichen. Resultat: Im Erbgut der Mangaben finden sich zwei auffällige Unterschiede, die aller Wahrscheinlichkeit mit der Toleranz gegenüber SIV zu tun haben. Einer betrifft den Zellrezeptor TLR4, der andere das Immunmolekül ICAM2.

Paradoxerweise bewirken die beiden Mutationen, dass das Immunsystem bei den Mangaben nicht besser, sondern schlechter funktioniert. Das ist aber in diesem Fall ein Vorteil, sagt Frank Kirchhoff von der Universität Ulm, einer der Studienautoren. Denn das Problem bei Aids-Patienten sei, dass sie eine chronische Aktvierung des Immunsystems entwickeln: „Darauf ist unser Immunsystem nicht ausgelegt. Es reagiert zwar heftig auf die HI-Viren, kann sie aber nicht unter Kontrolle bringen und verliert nach und nach seine Regenerationsfähigkeit. Das ist ein bisschen so, als würde man einen Marathon mit einem langen Sprint beginnen.“

Ansatz für neue Therapie

Bei den Mangaben indes bewirken die beiden Mutationen, dass der Teufelskreis aus Überaktivierung und Erschöpfung erst gar nicht entsteht. Sie leben mit der Infektion offenbar ganz gut. Diese Erkenntnis ist freilich auch für die Humanmedizin von Interesse. Kirchhoff hofft, dass man nun Hemmstoffe entwickeln könnte, die an TLR4 und ICAM2 ansetzen und - das wäre der Idealfall - den Ausbruch von Aids verhindern. In den nächsten zwei bis drei Jahren hält er Tests an Rhesusaffen für realistisch, „sollte alles nach Zufriedenheit verlaufen, könnten in fünf Jahren erste klinische Versuche an Menschen starten.“

Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 gibt es auch unter mit dem HI-Virus infizierten Menschen ganz wenige (unter 0,5 Prozent), die trotz hoher Viruslast im Körper kein Aids entwickeln. Kirchhoff möchte nun herausfinden, ob sie ähnliche Mutationen wie die Rußmangaben im Erbgut tragen.

Robert Czepel, science.ORF.at

Mehr zu diesem Thema: