MSC-Siegel soll verbessert werden

Wie viel Nachhaltigkeit steckt hinter dem blauen MSC-Siegel? Diskussionen darüber wurden zuletzt durch einen Greenpeace-Bericht angeheizt. science.ORF.at hat bei Experten nachgefragt. Fazit: Es gibt viele Probleme, aber auch Bemühungen, sie zu lösen.

Um die Probleme rund um das MSC-Siegel zu verdeutlichen, wählt Iris Ziegler (nicht verwandt mit der Verfasserin, Anm.) von den deutschen Hai- und Artenschützern „Shark Project“ gerne das Beispiel der Atlantischen Nordkaper Wale. Von den Meeressäugern gibt es nur mehr geschätzte 300 Exemplare, und sie werden jedes Jahr weniger. „Gerade letztes Jahr sind 17 dieser extrem bedrohten Tiere durch Stellnetze von Fischereien ums Leben gekommen - alle waren MSC-zertifiziert“, so Ziegler im Interview mit science.ORF.at.

Die Großwale verheddern sich in den Netzen und ertrinken, sie sind dann unerwünschter Beifang. MSC - das war einmal der Goldstandard in der umweltschonenden Fischerei, so die Meeresexpertin. Seit der Gründung des Marine Stewardship Council im Jahr 1997 habe es aber problematische Entwicklungen gegeben - etwa, dass nicht konsequent genug gegen Beifang vorgegangen werde.

Ringwadennetze statt Floße:

Beifang vermeiden kann man etwa, indem man von oben ein Netz auf einen Fischschwarm wirft und es unten zuzieht (sog. Ringwadennetze). Viel Beifang erzeugt man mit sog. Fischsammlern (Fish Aggregating Device, FAD). Das sind künstliche Plattformen, unter denen sich nicht nur z.B. Thunfische sammeln, sondern auch Haie und Schildkröten. Mit einem Netz werden sie alle an Bord gezogen. Derzeit befindet sich eine spanische Fischerei in Zertifizierung, die beide Methoden einsetzt.

Iris Ziegler kritisiert auch den Ablauf der Zertifizierungsverfahren. Damit werden externe Gutachter - sogenannte „agencies“ - beauftragt. „Auf den ersten Blick sieht es gut aus, wenn man sich unabhängige Dritte holt. Wenn man aber weiß, dass genau diese Agenturen von jeweils derjenigen Fischerei bezahlt werden, die zertifiziert werden möchte, dann fragt man sich natürlich: Wie unabhängig kann das sein?“

Keine Doppelgleisigkeit mehr ab Sommer

Ein besonders umstrittener Punkt wird vom MSC-Konsortium nun ausgeräumt: Ab August 2018 darf nicht mehr auf einem Boot gleichzeitig nach MSC-Standard und konventionell gefischt werden. „Das haben wir in unserem Austausch mit MSC schon länger gefordert", dass das nicht möglich sein sollte“, sagt Axel Hein von der Umweltschutzorganisation WWF Österreich.

Dass Fischereien schon bei der Absicht, nach MSC-Standards zu fischen, das Siegel vorab bekommen, hält der Meeresbiologe hingegen für gerechtfertigt: „Das ist nicht nur ein Versprechen. Dahinter steht ein Aktionsplan mit mehrjährigen Verbesserungen, den eine Fischerei unterschreiben und einhalten muss.“ Vergleichbar mit dem Bio-Siegel, das auch erst nach einer mehrjährigen Umstellung verliehen wird, sei das nicht: „Der Bauer ist nur für sein Stück Land zuständig, bei der Fischerei gibt es unterschiedlichste Akteure, die sich immer wieder in die Quere kommen.“ Deshalb müsse man einen stärkeren Anreiz setzen, damit die Fischereien über Jahre dabei bleiben.

MSC-Konsortium: Überarbeitung der Standards

Der WWF teile die Kritik vieler Umweltorganisationen am MSC-Siegel, so Hein. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass es grundsätzlich verdammt wird: „Man muss schon festhalten: Die nicht-zertifizierten 90 Prozent der Betriebe sind für illegale Fangaktivitäten verantwortlich, für die Überfischung der Meere. Und nicht die 10 Prozent, die im MSC-Programm sind.“

Ö1 Sendungshinweis:

Über die Kritik am MSC-Siegel berichtet auch das Mittagsjournal am 14.2.2018.

Auch beim MSC-Konsortium selbst zeigt man sich zu den Problemen gesprächsbereit, teilweise auch mit konkreten Maßnahmen, indem etwa die doppelgleisigen Fangmethoden (MSC-zertifiziert und konventionell) verboten wurden. Zu den umstrittenen externen Gutachtern spricht MSC auf Anfrage von science.ORF.at allgemeiner von einer „Arbeitsgruppe“ und einem geplanten Runden Tisch. Außerdem habe man ein unabhängiges Expertengremium zum Thema zusammengestellt.

Über eine Aktualisierung der Zertifizierungsrichtlinien werde ab Mitte 2018 beraten, bis Ende 2019 sollen sie in Kraft treten. Kritikern wie Haischützerin Iris Ziegler dauert das zu lange, schließlich bekommen die Fischereien drei bis fünf Jahre Zeit, die neuen Standards umzusetzen. Und dann, so die Befürchtung, könnten die Nordkaper-Wale schon ausgestorben sein.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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