Cholera: Wie Bakterien im Darm überleben

In Ländern mit Mangel an sauberem Wasser sterben jährlich Tausende Menschen an durch den Cholera-Erreger verursachten Brechdurchfällen. Sein Überleben im Darm und Magen sichert er sich, indem er gewisse Erbfaktoren aus- und anschaltet, wie Forscher nun berichten.

Das Bakterium Vibrio cholerae tummelt sich in Tümpeln und Brackwasser. Befällt es einen Menschen, muss es auch in der Lage sein, die Passage durch das saure Milieu des menschlichen Magens zu überleben und dann den Darm zu kolonisieren. Grazer Forscher haben Gene gefunden, die dabei eine wichtige Rolle spielen. Die Bakterien können diese Gene je nach Bedarf hoch- und niederregulieren.

„Wir untersuchen in unserm Labor die molekularen Grundlagen von bakteriellen Krankheitserregern und deren Anpassungsmechanismen an das Überleben in der Umwelt bzw. im Wirt“, erklärt Co-Autor Stefan Schild vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz. Von speziellem Interesse ist dabei der Erreger für die weltweit nahezu jedes Jahr auftretenden verheerenden Cholera-Epidemien. Vibrio cholerae wird durch verunreinigtes Wasser übertragen. Infiziert sich ein Mensch, vermehrt sich das Bakterium rasant und produziert das gefährliche Cholera-Toxin, das zu schwerem Durchfall mit lebensbedrohlichem Flüssigkeitsverlust führt.

Suche nach „schweigenden“ Genen

Schild und sein Team haben untersucht, warum sich der Erreger im menschlichen Darm überhaupt ausbreiten kann. Dazu haben sie ein Monitoringsystem für die Gen-Transkription weiterentwickelt, das Unterschiede in der Genregulation bei sich ändernden Umwelt- und Wirtsbedingungen entlang des Lebenszyklus von Vibrio cholerae festhält. Mit diesem können sie unter den insgesamt rund 4.000 Erbfaktoren des Bakteriums auch „zum Schweigen gebrachte“ Gene aufdecken, wie Schild schilderte. „Wir haben tatsächlich rund 100 Gene gefunden, die nach der oralen Aufnahme durch den Wirt niederreguliert sind“, führte der Grazer Experte aus.

Mithilfe eines „Mausmodells“ haben die Grazer Biowissenschafter im Labor einen Faktor identifiziert, der besonders stark unterdrückt wird. Es handelt sich um einen sogenannten Chloridionen-Transporter. Dieser ist für das Bakterium überlebensnotwendig, wenn es sich noch im Säurebad des Magens des Wirts befindet: In dieser sauren Umgebung dient es dem Bakterium zur Entgiftung von Chloridionen und schützt es so vor der Säure. Setzt der Chloridionen-Transporter jedoch seine Aktivität im alkalischen Milieu des Darms fort, stört er das Energiegleichgewicht des Bakteriums. „Es hat sich gezeigt, dass das Bakterium den Darm nicht kolonisieren kann, wenn dieser Faktor nicht ausgeschaltet wird“, wie der Grazer Experte erklärte.

„Wenn wir dem Bakterium im Darm vortäuschen könnten, dass es sich noch im Magen befindet, könnte die Krankheit also gar nicht zum Ausbruch kommen“, folgerte Schild. Dazu müsste wiederum sein Kontrollmechanismus gefunden werden. Dann könnten die „schweigenden“ Erbfaktoren auch von außen gezielt aktiviert werden, bzw. daran gehindert werden, den Erbfaktor zu unterdrücken zu Chloridionen-Transporter zu unterdrücken. Laut Schild wäre dies einerseits ein neuer Ansatz zur Bekämpfung von Cholera und könnte möglicherweise auch auf andere Infektionskeime übertragen werden.

science.ORF.at/APA

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