Wie das Gehirn im Schlaf lernt

Wer ausreichend schläft, lernt besser. Eine Studie zeigt: Schon ein Nickerchen kann helfen, sich das Erlernte besser zu merken. Noch besser arbeitet das Gehirn, wenn es die Inhalte im Schlaf erneut hört.

Normalerweise vergessen wir einen Teil von dem, was wir tagsüber gelernt haben. Das ist der natürliche Lauf des Vergessens, erklärt Bernhard Staresina von der britischen Birmingham Universität. Wie der Psychologe zusammen mit Kollegen in einer aktuellen Studie zeigt, kann man gegensteuern und zwar mit Schlafen. „Wenn man unmittelbar nach einer intensiven Lerneinheit ein Nickerchen einlegt, scheint es die Gedächtnisspur nicht nur nach dem Schlaf zu verbessern, sondern nachhaltig bis hin zum nächsten Tag und vermutlich sogar noch länger.“

Wer sein Gedächtnis noch mehr steigern möchte, könnte sich den Lernstoff, wie z.B. Vokabeln, im Schlaf sogar noch einmal vorspielen. Auch die Teilnehmer der Studie haben ein paar der zuvor eingelernten Begriffe während eines 90-Minuten-Nickerchens erneut gehört.

Vorspielen im Schlaf hilft

„Wir haben den Probanden zuvor 100 Eigenschaftswörter wie ‚groß‘ oder ‚schnell‘ und dazu ein Bild gezeigt, das entweder ein Objekt abbildete, wie einen Apfel oder eine Szene, wie etwa einen Bauernhof.“ Danach wurde das assoziative Gedächtnis der Teilnehmer abgeprüft und untersucht, ob sie sich noch an die dazugehörigen Bilder erinnern, wenn sie das Eigenschaftswort wiedersehen. „Noch vor dem Schlafen konnten die meisten im Schnitt 80 von den 100 Objekten bzw. Szenen zuordnen“, so Staresina.

Nach dem Schlaf gingen weitere Begriffe aus dem Gedächtnis verloren. Allerdings wussten diejenigen, die geschlafen und währenddessen einen Teil der bereits gelernten Begriffe vorgespielt bekommen haben, um durchschnittlich 15 Begriffe mehr als jene, die wach geblieben waren. „15 Prozent klingt nicht viel, wenn man an Noten denkt, könnte das aber der Unterschied zwischen einer Eins und einer Drei sein.“

Am nächsten Tag war der Kontrast sogar noch deutlicher. „Die Gruppe, die geschlafen hat, hat nur noch fünf Prozent vergessen. Die anderen hingegen noch einmal weitere 20 Prozent.“ Vor allem die im Schlaf noch einmal gehörten Begriffe waren erheblich besser im Gedächtnis verankert, schildert der Psychologe.

Gehirnspindeln als Schlüssel fürs Lernen

„Wir schauen uns hier praktisch zwei Effekte an. Das eine ist, dass Schlafen nach dem Lernen hilft. Innerhalb dieses Nickerchens gibt es noch einmal einen extra Anschub für die Gedächtnisperformance, wenn wir ein paar Reize durch die Reaktivierung der Erinnerung hervorheben.“

Und das sieht man im Gehirn. Denn die Forscher haben nicht nur die Merkleistung der Probanden untersucht, sondern ihnen dabei auch „unter die Motorhaube geschaut“, wie Staresina es nennt.

Dabei zeigt sich im EEG (Elektroenzephalogramm), wie das Gehirn während der Tiefschlafphase immer wieder für etwa eine halbe bis zu zwei Sekunden lang aktiv wird. Experten sprechen hier von sogenannten Gehirnspindeln. Dass diese Aktivitäten etwas mit dem Lernen zu tun haben, ließen schon frühere Studien vermuten, die etwa zeigten, dass mehr Spindeln im Schlaf auftauchen, wenn man unmittelbar davor viel gelernt hat.

Staresina und seinem Team gelang nun zudem der Beweis, dass die Gehirnspindeln eine Schlüsselrolle beim Verankern von Wissen spielen. „Als wir die Eigenschaftsworte wie ‚schnell‘ oder ‚groß‘ noch einmal abgespielt haben, sahen wir, dass unmittelbar danach Spindeln auftauchten.“ Viel mehr noch: An den Spindeln erkannten die Forscher auch, welche Information gerade verarbeitet wurde - ob mit dem Begriff also ein Objekt oder eine Szene wie der Bauernhof verbunden wurde.

Neues Wissen einbetten

„Das war einer der großen Fortschritte unserer Studie. Wir konnten damit zeigen, dass Spindeln nicht nur eine Begleiterscheinung des Schlafes sind. Vielmehr sind sie direkt in Verbindung mit der Wiederverarbeitung von Lerninhalten.“ Jene Teilnehmer mit mehr Spindeln im Schlaf hatten sich die Dinge nämlich besser gemerkt. Weitere Forschung sei hier noch notwendig, so der Psychologe.

Dass Lernen im Schlaf auch mit Vokabeln und anderem Lernstoff funktioniert, davon ist der Forscher überzeugt. „Auch hier versucht das Gehirn zu assoziieren und das neue Wissen in Bekanntes einzubetten und damit zu verknüpfen.“ Wichtig sei aber, dass der Stoff nicht zu schnell und mit Pausen abgespielt wird. Zudem muss man dafür in der Tiefschlafphase sein, die ca. 20 bis 30 Minuten nach dem Einschlafen erreicht wird. „Derzeit klingt es noch nach Zukunftsmusik, aber es wäre durchaus denkbar, dass man etwa eine Smarte Uhr, die die Schlafphasen misst, so programmiert, dass sie dann automatisch im richtigen Moment die Tondatei abspielt.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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