Karl, der Medienkaiser

Gesteuerte Pressearbeit, gestellte Fotos in den Medien - das sind keine neuen Erscheinungen: Bereits vor über hundert Jahren inszenierte sich der letzte Habsburger-Herrscher in der Öffentlichkeit. Kaiser Karl war der erste Medienkaiser.

Schon als Thronfolger ließ sich Erzherzog Karl gern und oft fotografieren und filmen. Im Dezember 1916 wurde er Kaiser. Und setzte alles daran, sich und das Kaiserhaus in den Medien professionell in Szene zu setzen. „Drei Monate nach diesem Machtantritt hat er einen kaiserlichen Pressedienst gegründet. Also einen Pressedienst, der nichts anderes getan hatte, als Kaiserbilder, Kaiserfilme in die Medien zu bringen“, erzählt der Fotohistoriker Anton Holzer.

Sendungshinweis

Über die letztlich gescheiterten geheimen Friedensverhandlungen Karls mit Frankreich 1917 berichtet heute Universum History: „Der Verrat des Kaisers“, 22.40 Uhr, ORF2.

Linktipp

Die in diesem Text verwendeten Fotos entstammen der umfangreichen Sammlung des Bildarchivs Austria - das Archiv ist online zugänglich.

Leiter dieses „Pressedienstes für die allerhöchsten Herrschaften“ war Hauptmann Karl Werkmann, ein Mann mit journalistischer Erfahrung, guten Kontakten und einer gewissen Durchsetzungsfähigkeit gegenüber vor allem Zeitungen und Illustrierten. Er bestimmte weitgehend, welche Bilder des Kaisers und seiner Familie veröffentlicht wurden, wo und wann.

„Frontbesuch“ weit hinter der Front

Kaiser Karl war während seiner Regentschaft fast ständig auf Reisen. Immer dabei: hauseigene Fotoreporter. Die Glasplattennegative ihrer Aufnahmen blieben knapp ein Jahrhundert fast vergessen. Bis sie Anton Holzer eher zufällig im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek entdeckte. Sie zeigen vor allem ein Motiv: Kaiser Karl. Zum Beispiel auf folgendem Foto - es zeigt den Monarchen, wie er seine Soldaten im Mai 1917 auf dem Weg zur zehnten Isonzoschlacht begleitet.

Kaiser Karl im Auto neben marschierenden Soldaten

ONB/Schuhmann/16901

Dieses Foto erschien wenige Tage später in der auflagenstärksten Illustrierten der Monarchie, im „Interessanten Blatt“. Das Bild wurde, wie viele andere auch, eigens für die Fotographen inszeniert. Das verdeutlicht unter anderem das nächste, nicht veröffentlichte Bild aus der Serie: Es zeigt den Kaiser nach absolviertem Pressetermin in Gegenrichtung unterwegs zurück nach Hause.

Kaiser Karl im Auto neben marschierenden Soldaten

ONB/Schuhmann/16903

Dieses Foto ist in noch einem Detail aufschlussreich: Ganz am rechten Bildrand ist ein Kameramann sichtbar. „Hier sieht man sehr schön, Fotoreporter und Bildkameramann arbeiten parallel, Foto und Film werden unmittelbar danach medial ausgeschlachtet.“ Das macht Anton Holzer auch an einem anderen zentralen Bild aus derselben Reise Karls deutlich.

Kaiser Karl am Feldstecher

ONB/Schuhmann/16895

„Dieses Bild ist der Höhepunkt dieser Frontreise, Kaiser Karl am Feldstecher blickt in Richtung der italienischen Front. Das ist natürlich gestellt, er war nie in Frontnähe, das wäre viel zu gefährlich gewesen.“ Das inszenierte Bild ist kurz danach in den Zeitungen erschienen. Und es kommt, gefilmt, auch in einem anderen zentralen Werk vor.

Der Historiker Hannes Leidinger hat mit Kollegen in einem aktuellen Forschungsprojekt das Filmschaffen Österreich-Ungarns von 1914-1918 untersucht. Ab der Machtübernahme Karls Ende 1916 entstehen zunehmend Filme, die den Kaiser zeigen – bejubelt von der Bevölkerung in Städten, zu Besuch bei seinen Soldaten, an unterschiedlichen Fronten. „Diese Filme sollten vor den Kaiser als omnipräsent zeigen, als ‚ersten Soldaten‘, der alles überblickt“, analysiert Hannes Leidinger.

Karl am Feldstecher

Ausschnitt aus dem Propagandafilm „Unser Kaiser“: Er zeigt den Monarchen bei einem inzenierten Besuch an der Front.

Koordiniert werden diese Filme ab Sommer 1917 von der „Lichtbildstelle“, eingerichtet im k. u. k. Kriegspressequartier. Im selben Jahr entstand der Propagandafilm „Unser Kaiser“: Zahlreiche Szenen dafür wurden eigens gestellt, wie Hannes Leidingers Forschung nachweist. Und der Film arbeitete mit den damals modernsten Mitteln der Kunst. Etwa an der Stelle, an der das oben erwähnte Bild Karls am Feldstecher gefilmt erscheint. „Hier wurde eine neue technische Finesse eingebaut, eine Überblendung, also man sieht einerseits den Kaiser am Periskop und andererseits im Hintergrund Schlachtenszenen“. Und der Historiker merkt an: „wobei anzunehmen ist, dass auch diese Schlachtenszenen gestellt sind.“

Kaiser Karls Medienarbeit war bemerkenswert professionell. Den Verlust des Krieges, den er viel früher hätte beenden wollen, und den Untergang der Monarchie konnte er damit nicht verhindern.

Birgit Dalheimer, science.ORF.at

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