Daten als Entwicklungshilfe

Wer Müttersterblichkeit bekämpfen und Bildung verbessern will, braucht nicht nur Geld, sondern auch eine solide Datenbasis. Das haben die Vereinten Nationen erkannt: In Ländern wie Afghanistan und Ghana soll nun ein neues Zeitalter beginnen.

Mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung verabschiedete die UNO 2015 einen sehr ambitionierten Plan, die Welt zu verbessern. Bis 2030 soll Armut beendet, Wasser für alle gesichert und menschenwürdige Arbeit geschaffen werden. Und das sind nur drei der insgesamt 17 Ziele. Das Problem: Oft fehlen schlichtweg die Daten auf deren Grundlage neue wirksame Gesetze erarbeitet werden können, gerade in Entwicklungsländern.

Das ist die Gründungsgeschichte der Organisation Global Partnership for Sustainable Development Data (GPSDD). Sie konzentriert sich vor allem auf Entwicklungsländer, wo oft sehr grundlegende Daten fehlen, zum Beispiel in Afghanistan. Dort gab es seit 1979 keine Volkszählung mehr. Wenn man aber brauchbare Gesetze für das Gesundheitssystem machen oder entscheiden will, wo Schulen errichtet werden, braucht man diese Daten, sagt Claire Melamed, Direktorin der GPSDD.

Volkszählung per Satellit

Derzeit wird zum ersten Mal seit 40 Jahren in Afghanistan die Bevölkerung gezählt – mit innovativen Methoden. Die Behörden setzen zwar noch auf traditionelle Umfragen, kombinieren sie aber mit Satellitenbildern. Auf den Bildern sieht man Lage, Anzahl und Größe von Häusern und Siedlungen, davon die Anzahl der Bewohner abgeleitet werden.

Afghanische Kinder auf einer staubigen Straße

ADEK BERRY / AFP

Die afghanische Provinz Helmand gilt derzeit als unsicher

Aus den verwendeten Baumaterialien lässt sich auch die ökonomische Situation der Menschen einschätzen. In einer Konfliktregion wie Afghanistan lassen sich so auch Informationen über Gegenden sammeln, die als unsicher gelten. Die Kosten für die unkonventionelle Volkszählung machen nur ein Zehntel der üblichen Kosten für so ein Unterfangen aus.

Ö1 Sendungshinweis

Mit diesem Thema beschäftigt sich auch Digital.Leben: „Gute Politik braucht Daten“, 3.7., 16.55 Uhr.

Nicht immer stehen Regierungen vor dem Problem, dass wichtige Daten komplett fehlen. Oft sind die Daten zu wenig detailliert oder liegen in nicht brauchbarer Form vor. Satellitendaten der NASA oder von anderen Weltraumorganisationen sind theoretisch offen und für alle zugänglich. Bloß ist es nicht einfach damit zu arbeiten. GPDS hat vor kurzem gemeinsam mit der NASA, Amazon und fünf afrikanischen Regierungen die Initiative African Regional Data Cube gestartet. Die Plattform bereitet die die Satellitenbilder auf und macht sie für Behörden nützlich.

Zum Einsatz kommen diese Daten für ganz unterschiedliche Zwecke: es lassen sich illegale Minen aufspüren, die Bodenqualität oder Wasservorkommen ermitteln. In den hauptsächlich landwirtschaftlich geprägten Ländern Afrikas seien solche Informationen gerade im Umgang mit den Folgen des Klimawandels entscheidend, sagt Claire Melamed.

Daten für die Steuermoral

Einer der Musterschüler in der Region ist das westafrikanische Land Ghana, das in den vergangenen Jahren sehr viel Expertise aufgebaut hat. Ein eindrucksvolles Beispiel, was geschickt gesammelte Daten bewirken können, stammt von einer dortigen Lokalregierung. Sie hat festgestellt, dass sie kaum Überblick über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung in der Region besitzt und damit auch keine Informationen über das Steueraufkommen.

Straßenszene in Accra, der Hauptstadt von Ghana

REUTERS/Luc Gnago

Ghanas Hauptstadt Accra im Dezember 2016

Die Lokalregierung schickte daraufhin Mitarbeiter von Tür zu Tür. Durch die zusammengetragenen Daten erhöhten sich die Steuereinnahmen in der Gegend um satte 500 Prozent innerhalb eines Jahres. Für solche Verbesserungen brauche es keine großartigen Investitionen oder gefinkeltes Datamining, sagt Claire Melamed, sondern altmodische Umfragen.

Verkehrsplanung setzt auf Mobilfunkdaten

Einen Schwerpunkt legen die Vereinten Nationen auf die Senkung der Müttersterblichkeit. „Die aktuelle Datenlage ist auf den ersten Blick gar nicht schlecht“, sagt Claire Melamed. Auf den zweiten Blick erweisen sich die Daten, die hauptsächlich aus Umfragen stammen, als zu ungenau. „Mit einer Umfrage können wir die Lage in einem Land wie Nigeria grob einschätzen. Das reicht, wenn die Regierung der UN melden will, wie hoch die aktuelle Müttersterblichkeitsrate ist.“ Um die Lage zu verbessern, braucht das Gesundheitsministerium allerdings genauere Daten um Krankenhäuser und Regionen miteinander zu vergleichen.

Spannende Eindrücke erhalten afrikanische Regierungen auch mit Mobilfunkdaten um die Ausbreitung von Epidemien wie Ebola oder Malaria zu prognostizieren. Die Bewegungsmuster sind aber auch für Verkehrsplaner interessant, wenn neue Busrouten oder Brücken geplant werden.

Anna Masoner, science.ORF.at

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