„Horizon Europe“ geht in Verhandlung

Am 17. Juli beraten erstmals die EU-Forschungsminister in einer informellen Ratssitzung in Wien über das 9. Forschungsrahmenprogramm: „Horizon Europe“ läuft von 2021 bis 2027.

Als „bisher ehrgeizigstes Förderprogramm für Forschung und Innovation“ sieht die EU-Kommission ihren Vorschlag. Und tatsächlich ist der Vorschlag mit 100 Mrd. Euro um 23 Mrd. Euro höher als das 8. Forschungsrahmenprogramm „Horizon 2020“, das von 2014 bis 2020 läuft.

Während Österreichs EU-Vorsitz werden unter der Leitung von Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) die Verhandlungen zum Kommissionsvorschlag geführt. Die informelle Ratssitzung am 17. Juli sei die „erste politische Aussprache“ zu dem Programm, da werde man sehen, wie sich die einzelnen Länder dazu positionieren, sagt der Minister. Dann werde man auch erkennen können, „wie weit wir im Herbst mit den Verhandlungen kommen“, so Faßmann.

Wie schon „Horizon 2020“ soll auch „Horizon Europe“ auf drei Säulen aufbauen. In der - gegenüber dem laufenden Programm weitgehend unveränderten - Säule I sollen unter dem Titel „Offene Wissenschaft“ insgesamt 25,8 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt werden. Das Gros davon entfällt mit 16,6 Mrd. Euro auf den Europäischen Forschungsrat (ERC), der hervorragende Grundlagenforschungsprojekte fördert.

Niedrige Bewilligungsraten kritisiert

Die Steigerung von 3,5 Mrd. Euro gegenüber dem laufenden Budget fällt u. a. den heimischen Unis nicht hoch genug aus. Angesichts der extrem niedrigen Bewilligungsraten komme man damit „nur schwer über die Runden“, monierte etwa die Präsidentin der Universitätenkonferenz, Eva Blimlinger. Sie kritisierte ebenso wie das Institute of Science and Technology (IST) Austria zudem „Kürzungen“ im Bereich der Marie-Sklodowska-Curie-Maßnahmen (MSCA), mit denen in Säule I die Mobilität von Forschern unterstützt werden.

Diese Kritik kann man im Bildungsministerium nicht nachvollziehen: Derzeit gebe es für MSCA 6,2 Mrd. Euro, künftig solle es 6,8 Mrd. Euro sein. Im Ressort räumt man aber ein, dass der Anteil der MSCA am - allerdings größeren - Gesamtkuchen etwas sinke. Grundsätzlich kann Faßmann aber verstehen, „dass man rechtzeitig Bedarf anmeldet“, das würde etwa auch die Industrie für die Ausstattung von Säule II tun. Die tatsächliche Budgetierung werde Teil des Diskussionsprozesses sein, ihm sei wichtig, dass der ERC nicht beschnitten werde, sondern wachse, „weil er sich als Programm der bottom-up-getriebenen unabhängigen Grundlagenforschung sehr bewährt hat“. Schließlich sollen in Säule I noch 2,4 Mrd. Euro („Horizon 2020“: 2,5 Mrd. Euro) für „Forschungsinfrastruktur“ zur Verfügung stehen.

Gesellschaftlicher Nutzen

Mit einer Dotation von insgesamt 52,7 Mrd. Euro ist die Säule II das umfangreichste Element von „Horizon Europe“. Unter dem Titel „Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit“ sollen hier Forschungsarbeiten zu „fünf zentralen Fragestellungen“ (Faßmann) gefördert sowie technologische und industrielle Kapazitäten aufgebaut werden.

Dabei handelt es sich um die thematischen Cluster „Gesundheit“ (7,7 Mrd. Euro), „Inklusive und sichere Gesellschaft“ (2,8 Mrd. Euro), „Digitalisierung und Industrie“ (15 Mrd. Euro), „Klima, Energie und Mobilität“ (15 Mrd. Euro) sowie „Lebensmittel und natürliche Ressourcen“ (zehn Mrd. Euro).

Die Kommission sage zu Recht, dass man für diese zentralen Herausforderungen konkrete Antworten benötige, schließlich solle das Rahmenprogramm ja „Impact schaffen, nicht nur Forschung um der Forschung willen, sondern auch Forschung, um letztlich gesellschaftliche Probleme lösen zu können“, so der Minister. Dazu kommen noch 2,2 Mrd. Euro für die „Gemeinsame Forschungsstelle“.

„Missionsorientierung“

In Säule II des neuen Rahmenprogramms wurden weitgehend die beiden Elementen „Führende Rolle der Industrie“ (17 Mrd. Euro) und "Gesellschaftliche Herausforderungen (29,7 Mrd. Euro) des laufenden Rahmenprogramms „Horizon 2020“ zusammengeführt. Stehen derzeit also in Summe 46,7 Mrd. Euro zur Verfügung, werden es künftig 52,7 Mrd. Euro sein.

Neben der Förderung von Einzel- und kooperativen Forschungsprojekten soll primär in Säule II von „Horizon Europe“ erstmals auch sogenannte „missionsorientierte Forschung“ gefördert werden. Dabei gehe es um „klare Fragestellungen“, so Bildungsminister Heinz Faßmann, der als Beispiel dafür das Thema „plastikfreier Ozean“ nannte. Es sei aber noch unklar, wie man zu den Themen kommen werde. Bei dieser limitierten Anzahl von Forschungsmissionen sollen Ziele mit hoher gesellschaftlicher Relevanz verfolgt werden, wobei laut Faßmann von der Grundlagenforschung bis zur konkreten politischen Umsetzung alles enthalten sein könne.

Neu: Europäischer Innovationsrat

Weitgehend neu ist Säule III unter dem Titel „Offene Innovation“, die mit insgesamt 13,5 Mrd. Euro dotiert sein soll. Durch die Einrichtung eines mit zehn Mrd. Euro ausgestatteten „Europäischen Innovationsrats“ (EIC) soll Europa zum Vorreiter bei „marktschaffenden Innovationen“ werden, wie es heißt. Als zentrale Anlaufstelle soll er vielversprechende Technologien vom Labor bis zur Marktreife unterstützen.

Laut Faßmann sollen mit dem EIC einerseits die Überführung von disruptiven, risikobehafteten Forschungsergebnissen in Spin-offs gefördert, andererseits auf Forschungsergebnissen basierende Unternehmen unterstützt werden, um ihnen größere Absatzmärkte zu eröffnen bzw. über die kritischen ersten Jahre des Selbstständigseins hinweg zu helfen. Weitergeführt wird in Säule III das Europäische Innovations- und Technologieinstitut, dessen Budget leicht von 2,7 auf 3,0 Mrd. Euro erhöht wird.

„Binnenmarkt des Wissens“

Unabhängig von den drei Säulen werden für die „Stärkung des Europäischen Forschungsraums“ 2,1 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Ziel dabei sei, auch im Forschungsbereich langfristig einen Binnenmarkt des Wissens zu schaffen, und Mitgliedsländer, die bisher im Rahmenprogramm noch nicht so erfolgreich waren, bei der Weiterentwicklung der nationalen Forschungssysteme zu unterstützen.

In Summe kommt man damit auf 94,1 Mrd. Euro. Dazu kommen noch 3,5 Mrd. Euro, die laut Bildungsministerium aus dem Programm „InvestEU“ für indirekte Finanzierungsinstrumente des neuen „Europäischen Innovationsrats“ kommen. Für „Euratom“, also den nuklearen Teil des Rahmenprogramms sind 2,4 Mrd. Euro vorgesehen, genauso viel wie im laufenden Rahmenprogramm. „Euratom“ werde übrigens nicht unter der österreichischen Präsidentschaft verhandelt, betont man im Bildungsministerium.

Der Budgetvorschlag für das nächste Rahmenprogramm wurde seitens der EU-Kommission übrigens bewusst ohne Beteiligung Großbritanniens berechnet. Sollte bei den Brexit-Verhandlungen also eine weitere Beteiligung des Landes an „Horizon Europe“ beschlossen werden, müsste Großbritannien das vorhandene Budget entsprechend aufstocken, so wie das etwa bei der Schweiz der Fall ist. Die Kommission verspricht zudem „einfachere Vorschriften und weniger Bürokratie“ im 9. Forschungsrahmenprogramm.

APA/science.ORF.at

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