Wie Salamandern Schwänze wachsen

Der Salamander ist der Regenerationskünstler im Tierreich, er lässt sich im Bedarfsfall einfach ein neues Organ wachsen. Nun wollen Forscher andere Tierarten mit dieser Super-Regeneration ausstatten - langfristig sogar Menschen.

Man stelle sich vor: Ein Radfahrer hat einen Unfall, zwar überlebt er den Zusammenstoß mit einem Lkw, doch sein Bein ist nicht zu retten. Daraufhin eilen Regenerationsmediziner ins Krankenhaus, entnehmen dem Patienten einige Körperzellen und starten ein Notfallprogramm. Während der Patient in künstlichen Tiefschlaf versetzt wird, wächst ihm ein Organersatz, ein komplett neues Bein.

Leider ist das nur Science-Fiction. Und verantwortlich dafür ist letztlich die Evolution. Säugetiere (zu denen auch der Mensch zählt) verfügen im Vergleich zu anderen Tierarten nur über eine schwache Regenerationsfähigkeit. Wundheilung funktioniert bei uns in der Regel recht gut, doch komplette Organe können wir nicht nachwachsen lassen. Beziehungsweise nicht mehr, denn unsere weit entfernten Wirbeltierverwandten aus der Gruppe der Amphibien hatten und haben da noch ganz andere Fähigkeiten, sagt Thomas Lozito von der University of Pittsburgh.

Salamander vs. Gecko

„Das klassische Tiermodell für Regeneration ist der Salamander Ambystoma. Er kann eine ganze Reihe von Geweben regenerieren, Teile der Augen, Hirn, Herz, ganze Beine und Schwänze.“ Wenn man sich diese Fähigkeit als Vorbild für die Humanmedizin nimmt, gibt es jedoch ein Problem, betont Lozito. Der Salamander sei auf der Ebene der Gewebe und Moleküle so wenig mit dem Menschen vergleichbar, dass es kaum Möglichkeiten gebe, daraus einen Nutzen abzuleiten.

Daher hat der Zellbiologe nun den mit uns näher verwandten Jungferngecko als Modelltier ausgewählt. Das aus Ozeanien stammende Tier kann ebenfalls Schwänze nachwachsen lassen, wenngleich nicht ganz so gut wie der Salamander. Er regeneriert seinen Schwanz nur als vereinfachte Variante des Originals, mit Knorpeln statt Knochen und unvollständiger Nervenausstattung. Er ist also so etwas wie ein evolutionäres Bindeglied, an dem sich zeigen lässt, wie die Regenerationsfähigkeit in der Ahnenreihe der Wirbeltiere langsam verschwand.

Stamzellen-Transplantation

Und nachdem der Gecko Fremdgewebe im Körper gut toleriert, eignet er sich auch für Transplantationsexperimente über Artgrenzen hinweg: Wie die US-Forscher nun im Fachblatt „PNAS“ berichten, statteten sie das Reptil mit neuralen Stammzellen des Salamanders aus. Das Ergebnis war unerwartet: Die Salamander-Stammzellen funktionierten auch in fremder Umgebung gut und differenzieren sich in vollständige Nervenzellen - besser als die Original-Stammzellen des Geckos.

Salamander Ambystoma  in Großaufnahme

Robert Denton, Ohio State University

Vom Salamander lernen: Ambystoma mexicanum ziegt vor, wie es geht

Dieser Befund zeige, dass die Regenerationsfähigkeit in der Wirbeltierriehe „nicht ganz verloren ging und sich mit geeigneten Stammzellen ankurbeln lässt“, sagt Lozito im Gespräch mit science.ORF.at. Nun wollen die Forscher herausfinden, welche Gene in den Salamander-Stammzellen aktiv sind, um dieses Muster dann auf andere Arten übertragen zu können.

Auf Mäuse etwa: Das Organ, das nun in den nächsten Versuchen nachwachsen soll, nämlich der Mäuseschwanz, ist noch vergleichsweise einfach gebaut. Langfristig hält Lozito auch die Regeneration von Beinen möglich, im Prinzip auch beim Menschen: „Bis dorthin ist es noch ein sehr weiter Weg. Aber unmöglich ist es nicht.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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