Phantosmie: Wenn die Nase halluziniert

Halluzinationen oder Hörerfahrungen ohne äußere Quelle – wie beim Tinnitus – sind bekannt. Aber eingebildete Gerüche? Laut einer neuen US-Studie ist das Phänomen weit verbreitet: Immerhin 6,5 Prozent der Menschen leiden unter „Phantosmie“.

Chemisch, faulig, oder rauchig: Die Betroffenen beschreiben die Phantomgerüche oft als unangenehm, wie Kathleen Bainbridge vom National Institute on Deafness and Other Communication Disorders berichtet. Sie hat mit ihrem Team die nach Eigenangaben erste repräsentative Umfrage gemacht (7.000 Befragte), um Verbreitung und Risikofaktoren der Phantosmie zu untersuchen.

Studie

”Factors Associated With Phantom Odor Perception Among US Adults“, JAMA Otolaryngology Head and Neck Surgery, 16.8.2018

Die Symptome sind vielfältig. Manchmal verschwinden die Geruchshalluzinationen mit der Zeit von selbst, andere Menschen leiden ihr ganzes Leben lang immer wieder darunter, wie ältere Forschungen von Co-Autor Donald Leopold von der University of Vermont zeigen. Laut der neuen Studie haben nur elf Prozent der Betroffenen wegen ihrer Beschwerden schon einen Arzt aufgesucht. Dieser könnte vermutlich auch nicht helfen, denn eine gesicherte Behandlung für die Phantosmie gibt es bisher nicht. Operationen wären ein Möglichkeit, diese bergen aber das Risiko, den gesamten Geruchssinn zu beeinträchtigen.

Risikofaktoren erkannt, Ursachen unklar

„Die Gründe für die Wahrnehmung von Phantomgerüchen sind nicht bekannt. Das Leiden könnte mit überaktiven Riechzellen in der Nase zusammenhängen. Oder mit einer Störung in jenem Hirnbereich, der Geruchssignale verarbeitet“, so Kathleen Bainbridge in einer Aussendung.

Allerding haben die Forscher Risikofaktoren herausgefunden: So haben Betroffene in der Vergangenheit oft eine Kopfverletzung erlitten. Auch ein Zusammenhang mit anhaltender Mundtrockenheit und einem allgemein schlechten Gesundheitszustand wurde festgestellt. Außerdem sind Menschen, die an Phantosmie leiden, tendenziell ärmer. Das könnte laut Forschern daran liegen, dass diese Menschen häufiger Umweltgiften ausgesetzt sind oder generell einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen, der wiederum zur Phantosmie beitragen könnte – entweder direkt oder aufgrund eingenommener Medikamente.

Mann hält sich angeekelt die Nase zu

Fotolia/koldunova_anna

In der untersuchten Stichprobe waren auch jüngere Menschen häufiger von Geruchshalluzinationen betroffen. Vermutlich deshalb, weil das Riechvermögen mit dem Alter generell zurückgeht – so könnten auch die eingebildeten Gerüche weniger werden. Bezüglich möglicher Risikofaktoren haben frühere Studien gezeigt, dass Phantosmie auch bei Personen mit neurologischen Erkrankungen, Depressionen und Migräne verstärkt auftritt – allerdings basieren diese Erkenntnisse nur auf kleinen klinischen Studien und die Richtung des Zusammenhanges ist nicht bekannt.

Geruchsstörungen senken Lebensqualität

Es berichten aber auch Personen von Phantomgerüchen, auf die keine der Risikofaktoren zutreffen. Was genau hinter der Phantosmie steckt, ist also nach wie vor unklar. Ebenso warum unangenehme Wahrnehmungen überwiegen. Frühere Forschungenlegen nahe, dass das evolutionäre Gründe haben könnte: Den Geruch von Rauch rechtzeitig zu erkennen und seine Quellen zu meiden, war und ist überlebenswichtig. Außerdem könnte es einfacher sein, negative Empfindungen im Gedächtnis abzurufen.

„Probleme mit dem Geruchssinn werden oft übersehen. Dabei sind sie sehr wichtig. Sie können einen großen Einfluss auf den Appetit und das Essverhalten haben und schränken die Fähigkeit ein, Gefahrensignale bei Feuer, Gaslecks oder verdorbenem Essen zu riechen“, betont Judith Cooper vom National Institute on Deafness and Other Communication Disorders, das die Studie finanziert hat. Um den Betroffenen von Geruchsstörungen besser helfen zu können, sei nun weitere Forschung notwendig.

Julia Geistberger, science.ORF.at

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