Zu selten für die Forschung

Es gibt mehr als 8.000 seltene Erkrankungen, von denen oft nur einer von einer Million Menschen betroffen ist. Für die Forschung wären die genetischen Ursachen interessant, weil sie auch Aufschluss über verbreitete Krankheiten geben können - die Mittel sind jedoch knapp.

Der Cholesterinsenker „Statin“ ist das bekannteste medizinische Produkt, das mit der Erforschung einer seltenen Erkrankung in Zusammenhang steht. Bei dieser seltenen Form der Hypercholesterinämie ist der Cholesterinstoffwechsel von Geburt an massiv gestört, bedingt durch eine Genmutation. Und die Betroffenen erleiden bereits im Teenageralter Herzinfarkte.

Ähnliches erhoffen sich Forscherinnen und Forscher auch von Erkenntnissen über andere seltene Erkrankungen. Der Forschungsstand wird derzeit in Wien beim „Keystone Symposium on Rare Diseases“ am Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) diskutiert.

Die Konferenz:

Das Keystone Symposium on Rare Diseases findet von 11. bis 14. November in Wien statt, organisiert vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA), vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) und vom Gregor Mendel Institut (GMI).

Das Projekt:

Das Forschungsprojekt zur Diamond-Blackfan-Anämie läuft seit 2017 im Josef Penninger Lab am IMBA und in den Max F. Perutz Laboratories der Medizinischen Universität Wien.

Ö1-Sendungshinweis:

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in „Wissen aktuell“ am 12.11. um 13.55 Uhr.

Forschungsprojekt mit einer Familie

Das IMBA widmet sich gemeinsam mit den Max F. Perutz Laboratories der Medizinischen Universität Wien (MFPL) in einem Forschungsprojekt der Diamond-Blackfan-Anämie (DBA), einer schwerwiegenden Blutarmut. Die Diagnose erfolgt bei fast allen Betroffenen im ersten Lebensjahr - denn wer an DBA leidet, bildet viel zu wenige rote Blutkörperchen. Der Körper wird folglich nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt.

Die Symptome reichen von Müdigkeit und Konzentrationsschwäche bis zu schwerwiegenden Kreislaufproblemen. Die betroffenen Kinder brauchen in regelmäßigen Abständen Bluttransfusionen, um den Mangel auszugleichen.

Wie es zu dieser Störung im blutbildenden Knochenmark kommt, untersuchen die Molekularbiologen Josef Penninger, der Gründungsdirektor des IMBA, und Javier Martinez von den MFPL mit ihren Forschungsgruppen. Im Mittelpunkt steht eine Familie, in der die Eltern gesund sind, zwei der Kinder aber an DBA erkrankt sind.

Hinweise auf Blutkrebs möglich

Um zu verstehen, warum das blutbildende Knochenmark der beiden Kinder viel zu wenige Retikulozyten produziert, die Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen, untersuchen Penninger und sein Team die auslösenden genetischen Mechanismen. „Wir haben von allen Mitgliedern der Familie, gesunden und kranken, Zellen entnommen und die auf pluripotente induzierbare Stammzellen rückprogrammiert“, so Penninger.

Diese Stammzellen können unterschiedliche Zelltypen ausbilden: Hautzellen, Nervenzellen oder eben rote Blutkörperchen. Aktuell werden die Stammzellen und der Mechanismus, der sie zu roten Blutkörperchen werden lässt, auf Unterschiede zwischen gesunden und kranken Familienmitgliedern hin untersucht. Davon erhoffen sich die Forscher auch Erkenntnisse für andere, weiter verbreitete Erkrankungen, wie Blutkrebs bzw. über die Ribosome, die Proteinfabriken der Zellen, die ebenfalls involviert sind.

Genetische Schutzmechanismen verstehen

Die genetische Konstellation innerhalb der Familie ist dabei für die Forscherinnen und Forscher besonders interessant: Beim Vater ist das entsprechende Gen ebenfalls verändert, er zeigt jedoch keinerlei Symptome einer DBA. „Wenn wir verstehen, welche körperlichen Schutzmechanismen hier wirken, können wir sehr viel über genetische Resilienz lernen“, so Penninger.

Viele Menschen haben eine genetische Mutation, die eigentlich zu einer Erkrankung führen müsste, sind aber völlig gesund. Das könnte auch ein Ansatz für eine mögliche Therapie sein. Noch ist das Forschungsprojekt allerdings nicht endgültig finanziert. Denn es war die betroffene Familie selbst, die das Projekt initiiert hat. Dessen Fortbestand hängt von privaten Spenden ab.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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