Meinungsunterschiede ruinieren Zusammenarbeit

Seit vielen Jahren versuchen Spieltheoretiker das Entstehen von Kooperation zu erklären. Das Problem: Die Wirklichkeit ist oft viel komplexer als ihre Modelle. Nun haben sie erstmals berücksichtigt, dass Menschen „gut“ und „schlecht“ sehr unterschiedlich betrachten.

Diese Meinungsunterschiede wurden bisher unterschätzt. Denn schon eine einzelne Unstimmigkeit kann den Kooperationswillen in einer Gemeinschaft untergraben und sie in zerstrittene Gruppen spalten, wie ein Team um den österreichischen Spieltheoretiker Martin Nowak von der Harvard University in einer Studie berichtet.

In früheren Arbeiten wurde immer mit der Annahme gearbeitet, dass jeder in der Gruppe über die anderen Bescheid weiß und alle die gleichen Werte vertreten. „In der Realität treffen diese Annahmen aber oft nicht zu“, so Studienmitautor Christian Hilbe vom Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg (NÖ) und den österreichischen Biomathematiker Martin Nowak von der Harvard University.

Klassische Strategien versagen

Auf die alte Art habe man acht Hauptstrategien ermittelt, die rasch zu einer stabilen Zusammenarbeit in einer Gesellschaft führen. Eine davon lautet zum Beispiel, dass man jemandem anderen nur hilft, wenn er einen guten Ruf hat. Bei einer anderen findet es jeder gut, wenn anderen geholfen wird, ganz egal was man von einer Zielperson hält.

Die Modelle, in denen sich solche Strategien bewährt haben, gehen aber samt und sonders davon aus, dass alle Beteiligten bestimmte Verhaltensweisen als gut empfinden, erklärte Hilbe. Dies ist im wirklichen Leben aber nicht der Fall. Manche Menschen finden es gut, dass man Ertrinkende egal welcher Herkunft aus dem Mittelmeer rettet, andere nicht.

Wenn Menschen in den Modellen über fehlerhafte Informationen verfügen können und Meinungsverschiedenheiten existieren, versagten diese acht Strategien. „Keine davon führte zu einem hohen Maß an Kooperation, und viele waren instabil oder setzten sich erst gar nicht in der Bevölkerung durch“, so die Forscher in einer Aussendung.

Über 4.000 Möglichkeiten

Meinungsunterschiede würden sich bei den zuvor als erfolgreich beschriebenen Strategien teils rasch in der Gesellschaft verbreiten und sie spalten. „Manchmal könnte sogar eine einzelne Unstimmigkeit dazu führen, dass Populationen in zwei polarisierende Untergruppen aufgeteilt werden“, so die Forscher. Bei einigen Strategien kann sich die Bevölkerung laut den mathematischen Modellen zwar wieder zusammenraufen, aber das dauert oft lange.

Welche Strategien zu stabiler Kooperation unter realistischen Voraussetzungen führen, könne man aber noch nicht sagen, sagte Hilbe: „Da wir auf zeitaufwendige Simulationen angewiesen sind, haben wir zunächst die acht bisher vielversprechendsten Kandidaten getestet, aber für die haben wir eben eher schlechte Neuigkeiten“. Nun wolle man die anderen möglichen Strategien mit vergleichbarer Komplexität abklopfen. Derer gibt es zwei hoch zwölf, also 4.096. „Ich fürchte, da werden wir eine Weile beschäftigt sein“, so der Forscher.

science.ORF.at/APA

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