320 km/h: Ameise bricht Weltrekord

Kein Tier bewegt sich so explosiv wie die Dracula-Ameise: Das kleine Insekt beschleunigt seine Kieferscheren laut neuen Messungen auf bis zu 320 km/h – und verwendet dabei einen Trick, den auch Menschen beherrschen.

Einen besonders athletischen Eindruck machen Krebse und Insekten ja nicht. Doch von Äußerlichkeiten sollte man sich nicht täuschen lassen. Denn wenn es um sportliche Bestleistungen geht - jedenfalls relativ zum eigenen Körpermaß -, dann sind diese beiden Tiergruppen wohl konkurrenzlos im Tierreich.

Schaumzikaden etwa springen aus dem Stand 70 Zentimeter hoch, das entspricht dem Hundertfachen ihrer Körperlänge. Umgerechnet auf einen menschlichen Hochspringer hieße das also: Sprunghöhe 200 Meter. Fangschreckenkrebse wiederum entwickeln mit ihren keulenförmigen Waffen nachgerade absurde Schnellkräfte und können damit sogar Aquarienwände zum Zerbersten bringen.

Fingerschnipp-Technik

Das alles wurde in der zoologischen Leistungsschau bereits festgehalten, einen neuen Rekord vermelden nun Forscher in der Kategorie Höchstgeschwindigkeit: Wie der US-Biologe Andrew Suarez im Fachblatt „Royal Society Open Science“ schreibt, bewegt die Dracula-Ameise Mystrium camillae ihre Kieferscheren mit 90 Metern pro Sekunde, also mit mehr als 320 km/h.

Dracula-Ameise in Großaufnahme

Adrian Smith

Bewegt sich blitzartig: Mystrium camillae

Wie bringt die Ameise dieses extreme Tempo zustande? Aufnahmen mit Hochgeschwindigkeitskameras zeigen: Die Insekten pressen ihre Kauladen, „Mandibel“, gegeneinander und erzeugen dabei eine Art Federspannung, die sich dann ruckartig entlädt.

Förderlich für diese Übung ist die besondere Morphologie des Insekts, betont Suarez. „Anstatt drei verschiedene Teile für Feder, Riegel und Hebelarm zu verwenden, sind alle drei in den Mandibeln zusammengefasst.“ Klingt ein wenig kompliziert, ist es aber nicht: Im Grunde funktioniert die Bewegung des Ameisenkiefers wie das Fingerschnippen bei uns Menschen - nur mit dem nicht ganz unwesentlichen Unterschied, dass die Ameise das etwa 1.000 Mal schneller tut.

Beute geht K.O.

Und natürlich hat der superschnelle Kiefer auch eine Funktion. „Die Ameisen nutzen diese Bewegung, um andere Arthropoden zu schlagen, sie auf diese Weise vermutlich zu betäuben, sie gegen Tunnelwände zu stoßen oder wegzudrücken“, sagt Suarez. Ist die Beute einmal außer Gefecht gesetzt, schleppt sie die Ameise in ihr Nest, wo diese dann an Larven verfüttert wird.

Ihren Namen verdanken die in den südostasiatischen Tropen beheimateten Ameisen übrigens ihrer ungewöhnlichen Ernährungsweise. Erwachsene Tiere dieser Art nehmen nämlich keine feste Nahrung zu sich, sie saugen vielmehr Blut, „Hämolymphe“, aus ihren eigenen Larven. Schaden nimmt der Nachwuchs dabei offenbar nicht.

Laut den Studienautoren könnte der Geschwindigkeitsrekord der Dracula-Ameise sogar noch von anderen Arten übertroffen werden. Die bisherige Bestleistung lag bei 230 km/h, gehalten von der Schnappkieferameise Odontomachus bauri.

Robert Czepel, science.ORF.at

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