Planet der Hühner

Hühner sind ein Symbol dafür, wie sehr der Mensch die Erde verändert hat. Eine Studie zeigt: Mit ihren wilden Vorfahren haben sie fast nichts gemein. Weltweit gibt es mehr als 21 Milliarden Exemplare, zahlenmäßig sind sie damit allen anderen Vögeln überlegen.

„Macht Euch die Erde untertan!“ Den vielzitierten Bibelspruch hat der Mensch anscheinend recht ernst genommen. Seine Lebensweise hat das Klima verändert, aber auch das irdische Leben. Immer mehr Pflanzen und Tiere verschwinden oder sind vom Aussterben bedroht. Menschen und Nutztiere werden hingegen immer mehr.

Hühner im Stall

Julian Stratenschulte/dpa

Hühner im Stall

Laut den Forschern um Carys E. Bennett von der University of Leicester leben heute zahlenmäßig mehr domestizierte Tiere auf unserem Planeten als wilde Wirbeltiere. Der bei weitem größte Anteil entfällt auf Hühner, davon gibt es derzeit mehr als 21 Milliarden Exemplare. Keine einzige Vogelart ist oder war je so häufig. Zum Vergleich: Vom vermutlich häufigsten wilden Vogel - der mittlerweile ausgestorbenen Wandertaube - gab es im 19. Jahrhundert drei bis fünf Milliarden Individuen. „Man könnte sagen, wir leben auf einem Planeten der Hühner“, so Bennett gegenüber der BBC.

Die Studie

„The broiler chicken as a signal of a human reconfigured biosphere“, Royal Society Open Science, 12.11.2018

Weltweit steigt der Appetit auf Hühnerfleisch, nur Schweinefleisch wird heute noch eine Spur häufiger konsumiert. Die meisten Tiere sind daher Masttiere. Nach einer Statistik der FAO (Food an Agriculture Organization of the United Nations) wurden etwa 2014 weltweit 65,8 Milliarden Hühner - also mehr als 180 Millionen täglich - geschlachtet, im selben Jahr landeten etwa 1,5 Milliarden Schweine auf der Schlachtbank. Laut den Studienautoren waren es in Wahrheit wahrscheinlich deutlich mehr, da der FAO nach eigenen Angaben nicht alle offiziellen Daten zur Verfügung stehen.

Vom Menschen geprägt

Angesichts der mehrheitlich industriellen Haltungsbedingungen ist das Leben des beliebten Geflügels eher traurig und meist auch recht kurz. Nur drei bis fünf Wochen lebt ein Masthuhn. Legehennen leben dagegen ungefähr ein Jahr, bevor sie ebenfalls ein verfrühtes Lebensende auf der Schlachtbank erleiden. Die wilde Stammform des Haushuhns, das Bankivahuhn aus Südostasien, wurde zwischen drei und elf Jahre alt.

Überhaupt habe das heutige Huhn nicht mehr sehr viel gemein mit seinem wilden Vorfahren, der vor ca. 8.000 Jahren domestiziert wurde, schreiben die Autoren, die Hühnerknochen von archäologischen Ausgrabungsstätten mit heutigen verglichen haben. Die größten Änderungen hat das Nutztier aber erst seit den 1950er Jahren durchlaufen. Die Tiere sehen anders aus und sind vor allem extrem gewachsen. Heute sind sie etwa fünfmal so groß wie vor 70 Jahren. Verantwortlich für den Wandel ist der Mensch mit seinem Hunger nach Fleisch. Für die Forscher ist das moderne Haushuhn daher das Symbol schlechthin für die heutige - vom Menschen geprägte - Biosphäre der Erde.

Eva Obermüller, science.ORF.at

Mehr zum Thema