Wissenschaft schnuppert Landluft

Asphalt statt Wiesen, zersiedelte Gemeinden, leere Ortskerne - dieses Bild sieht man in ländlichen Regionen oft. Welche ökologischen und sozialen Folgen solche raumplanerischen Fehlentwicklungen haben, wird ab heute bei der „LandLuft-Universität“ in Wien diskutiert.

Straßen, Parkplätze, Betriebsgelände und Einfamilienhäuser verschandeln in ländlichen Gegenden nicht nur die Landschaft, Asphalt und Beton versiegeln auch die natürlichen Böden. Die können dann nicht mehr als Speicher für Kohlendioxid dienen, was den Klimawandel vorantreibt. Ein Problem, das bereits 1999 bei der ersten „LandLuft-Konferenz“ an der Technischen Universität Wien diskutiert wurde.

Veranstaltungshinweis:

Die „LandLuft Universität“ findet von 25. März bis 04. April 2019 an der Technischen Universität Wien statt - ohne Anmeldung, offen für alle.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 25.3., 12:00 Uhr.

Wissenschaft schnuppert Landluft

Damals bemängelten Lehrende und Studierende, dass Raumplanung in ländlichen Regionen in Lehrplänen und Forschung so gut wie keine Rolle spiele, sagt der Architekt Erich Raith am Forschungsbereich für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen der Technischen Universität Wien. Heute, zwei Jahrzehnte später, habe sich die Situation nicht wesentlich verbessert. Deswegen veranstalte man zum 20-Jahr-Jubiläum erneut die „LandLuft“-Universität, um auf diese Probleme hinzuweisen und mit der Öffentlichkeit darüber zu diskutieren.

Spitzenreiter bei Versiegelung

Denn Österreich liegt bei der Versiegelung des Bodens vor vielen anderen europäischen Ländern. Ende der 1990er Jahre wurden hierzulande täglich 20 Hektar verbaut, das entspricht etwa 30 Fußballfeldern. Schon damals habe man sich das politische Ziel gesetzt, auf zwei Hektar pro Tag zu reduzieren, so Raith.

Erreicht habe man dieses Ziel bei Weitem nicht. „Jetzt sind wir immer noch bei 13 Hektar pro Tag, und dieser Rückgang ist eher nicht auf einen Bewusstseinswandel zurückzuführen, sondern darauf, dass vor allem in den alpinen Regionen die Fläche ausgeht“, meint der Architekt. Im flachen Land habe sich bei der Versiegelung so gut wie nichts geändert.

Wohntraum auf Kosten der Umwelt

Ähnliches zeigt sich bei der Zersiedelung im ländlichen Raum. Laut Umfragen träumen 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher von einem Einfamilienhaus mit Garten auf dem Land. „Eine Entwicklung, die nur deswegen funktioniert, weil dieser ganze raumplanerische, siedlungsbauliche, architektonische Wahnsinn damit kompensiert wird, dass wir mit dem Auto zu einer Tankstelle fahren und billig Diesel oder Benzin tanken können“, sagt Raith.

Die Wege zum Einkaufen, in die Arbeit, zu Schule und Kindergarten sind lang, doch wegen des günstigen Treibstoffs sind sie mit dem Auto leicht zu bewältigen. Das sei ein Konzept mit Ablaufdatum, ist der Architekt überzeugt. Erdöl als begrenzte Ressource und der fortschreitende Klimawandel würden dem ein unausweichliches Ende setzen. „Das sollte jeder wissen, der sich jetzt dort gerade ein Haus mit Hüpfburg, Swimmingpool und Doppelgarage bauen will“, ergänzt Raith.

Schlecht für Umwelt und Gemeinschaft

Doch der Traum vom ländlichen Eigenheim sei nicht nur ein ökologisches Problem. Die Zersiedelung bringe auch soziale Probleme mit sich, so Raith. Von mangelnden Kindergärten und Schulen, über weit entfernte Arbeitsplätze bis zu fehlenden Einrichtungen für ältere Menschen beobachte man einige Schwierigkeiten, die mit dem Leben in ländlichen Regionen verbunden sind.

„Ältere Menschen, die selber nicht mehr mobil sind, die nicht mehr Auto fahren können, die isoliert da draußen hocken, sind auf mobile Pflegedienste angewiesen, und hier stellt sich natürlich die Frage, in wie weit man einen Ausbau solcher Dienste wird finanzieren können“, sagt Raith.

Fehlentwicklungen, die der Architekt auch auf die dürftige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem ländlichen Raum zurückführt. Auch deswegen veranstalte man die „LandLuft Universität“ nach 20 Jahren wieder, sagt Raith. Um darauf hinzuweisen, dass „das Land“ in den Vorlesungen und Forschungsvorhaben der Raumplanung bis heute unterrepräsentiert ist.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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