Schwarzes Loch: Ein Meme reist um die Welt

Saurons Auge, Donuts, Google Doodle: Seit das erste Bild eines Schwarzen Loches veröffentlicht wurde, geht es im Internet rund. Die flottierenden Memes erzählen auch etwas über die Bildsprache der Wissenschaft.

Moment mal: das erste Bild eines Schwarzen Loches? Die gab es doch längst, mit bunten Jets und rotierenden Materiescheiben – waren das, womit uns Astronomen und Weltraumagenturen all die Jahre versorgt haben, etwa keine solchen? Schon, aber eben nur Übersetzungen dessen, was Computersimulationen über Schwarze Löcher erzählen, sofern man sie mit der Allgemeinen Relativitätstheorie und astronomischen Messdaten speist. All die bunten und hochgestochenen Bilder waren künstlerische Darstellungen mit wissenschaftlichem Unterfutter. Aber eben kein direkter Nachweis im Sinne von: Sehen.

Genau das ist dem 200-köpfigen Forscherteam des Event Horizon Telescope (EHT) nun erstmals gelungen. Die Wissenschaftler haben rund um das Schwarze Loch in einer 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie Lichtteilchen nachgewiesen – also genau das, was wir mit unseren Augen wahrnehmen, wenn wir etwas sehen.

Sehen heißt glauben

Der Verarbeitungsweg von den Daten zum Bild war zwar lang und verwickelt. Gleichwohl kommt diese Darstellung der sinnlichen Empfindung so nahe, wie es in der technisch hochgerüsteten Astronomie nur eben geht. „Wir haben etwas Wahres gesehen“, resümierte denn auch EHT-Direktor Sheperd Doeleman bei der gestrigen Pressekonferenz im National Press Club in Washington D.C.

Erstes Bild eines Schwarzen Lochs

EHT Collaboration

Das Bild ist im Vergleich zu den früheren Darstellungen unscharf, unspektakulär - und bezieht gerade aus diesem Umstand seine Überzeugungskraft. Das ist wohl auch einer der Gründe dafür, dass es in den Internetforen nun so richtig rund geht.

Der Pop des Schwarzen Loches

Unter dem Hashtag #blackhole konnte man sich seit gestern Nachmittag allerlei popkulturelle Assoziationen abholen, allen voran: das Auge Saurons. Viele User fühlten sich an das brennende, lidlose Auge des Bösewichts aus der Fantasy-Trilogie „Herr der Ringe“ erinnert. Womit bewiesen ist, dass die Welt im Grunde böse ist. Oder auch nicht, denn die „Pupille“ des Schwarzen Loches ist gutmütig rund und - auf dieses Detail sei an dieser Stelle hingewiesen - eben kein von Argwohn durchströmter Schlitz, wie in der Verfilmung von Peter Jackson. Es besteht also noch Hoffnung.

Natürlich wurde im Internet auch ausreichend Cat Content geliefert, unter den Musikvorschlägen rangiert bis dato „Black Hole Sun“ von Soundgarden auf Platz eins, naheliegend war auch der Verweis auf allerlei ringförmige Dinge, von amerikanischen Hefekrapfen bis zu den Logos von Instagram und Firefox, fallweise auch in astronomischer Adaptierung. Google wiederum kam den Usern zuvor – und hat gleich selbst ein entsprechendes Schwarzes-Loch-Doodle ins Netz gestellt.

Es gab auch epistemisch angehauchte Beiträge, schließlich beschäftigt uns das Verhältnis von Bild und Wirklichkeit auch im Alltag. Etwa dann, wenn wir einen Hamburger kaufen, der nicht ganz so aussieht, wie uns die Werbung glauben machen will.

Womit wir wieder bei der grundsätzlichen Frage wären: Wie vertrauenswürdig sind Bilder? Oder anders formuliert: Wann sind wir bereit, sie als Stellvertreter der Dinge zu akzeptieren? Der Keim dieser Debatte ist so alt wie die wissenschaftliche Methode selbst. Als Galileo Galilei seine gelehrten Zeitgenossen aufforderte, einen Blick durch sein neues astronomisches Werkzeug, das Teleskop, zu werfen, reagierten nicht wenige entrüstet. Sie weigerten sich schlicht, es ihm gleichzutun.

Nicht nur, weil die Beobachtung dem von der Kirche favorisierten Weltbild hätte widersprechen können – sondern auch, weil der Verdacht im Raum stand, das Instrument könnte die Sinne verwirren. Oder, schlimmer noch, das gezeigte Bild könnte gar von einer bemalten Linse stammen. Der Philosoph Cesare Cremonini soll etwa gesagt haben: „Ich bekomme Kopfschmerzen, wenn ich durch dieses Glas schaue. Genug! Ich will nichts mehr darüber hören.“

Die Skepsis gegenüber Messinstrumenten hat sich mittlerweile gelegt. Doch die Sehnsucht nach dem sinnlich Wahrnehmbaren ist noch immer da, auch in der Wissenschaftsgemeinde. Die Astrophysikerin Janna Levin schrieb gestern in einem Beitrag für das „Quanta Magazine“: „Bis zum heutigen Tage haben wir Schwarze Löcher nicht gesehen. Das Bild bewegt mich. Ich bin überwältigt.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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