Klimaschutz: Die Tücken der Aufforstung

Rund eine Milliarde Hektar Wald zusätzlich könnten den Klimawandel stoppen, das haben Forscher der ETH Zürich kürzlich berechnet. Doch wie soll das in der Praxis funktionieren? Eine Bestandsaufnahme.

Die Medienresonanz war groß. Überall - auch im ORF - wurde die neue, simple Maßnahme angepriesen, mit der man das Klima retten könnte. Die in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichte Studie zeige sehr gut das Potenzial, das Wald als Kohlenstoffspeicher hat, sagt Georg Gratzer, Professor für Waldökologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. „Das ist aber nur das theoretische Potenzial. Das ist ganz wichtig zu beachten.“

Nachteile: Nutzungskonflikte, Wasserverbrauch

Unter den potenziellen Aufforstungsflächen auf dem Planeten befinden sich die etwa Miomba Woodlands, ein weitläufiges Waldsavannengebiet im südlichen Zentralafrika. Diese Flächen sind karg, werden aber von der lokalen Bevölkerung landwirtschaftlich genutzt, weiß Georg Gratzer.

Vor allem arme Menschen würden diese Flächen für Viehhaltung und Beweidung nutzen. „Der Großteil der armen Bevölkerung des globalen Südens lebt in ländlichen Gebieten. Zwei Drittel davon sind von Viehzucht abhängig.“ Würde man hier aufforsten, entziehe man diesen Menschen die Lebensgrundlage.

Waldsavanne in der DR Kongo

Dr. Thomas Wagner, Environmental and Agricultural Consulting and Research CC BY-SA 3.0

Waldsavanne in der Demokratischen Republik Kongo

Bäume verbrauchen viel Wasser, gibt der Waldökologe zu bedenken. Bei tropischen Baumplantagen verdunsten beispielsweise pro Jahr bzw. Vegetationsperiode 1.000 bis 1.500 Millimeter Wasser. Wasser, das dann in der Landwirtschaft fehle. „Natürlich ist es so, dass sich durch die Bewaldung die Wasserspeicherung verbessert“, sagt Georg Gratzer. „Aber der schiere Wasserverbrauch wird höher. Darauf muss man achten.“

Aufforstungsprojekte in Äthiopien

Seit ein paar Jahren setzt die Universität für Bodenkultur eigene CO2 Kompensationsprojekte um. Seit 2012 gibt es zum Beispiel ein Aufforstungsprojekt im Hochland von Äthiopien, das in 30 Jahren mehr als 5.000 Tonnen CO2 binden soll. Man habe das Projekt bewusst partizipativ angelegt und die lokale Bevölkerung miteinbezogen, erzählt Waldökologe. Um herauszufinden, welche Art von Aufforstung die Leute vor Ort brauchen, habe man mit äthiopischen SoziologInnen zusammengearbeitet.

Aufforstungsprojekt in Äthiopien

Georg Gratzer/Boku Wien

Aufforstungsprojekt in Äthiopien

„Oberste Prämisse ist neben der Kohlenstoffbindung, dass sich die Lebensumstände der Leute vor Ort verbessern“, sagt Gratzer. Interessanterweise wollten die Leute vor Ort andere Bäume als die Wissenschaftler. Sie wollten Laubbäume, deren Blätter auch als Viehfutter genutzt werden können. Mittlerweile wachsen dort sehr viele verschiedene Pflanzenarten und die Flächen werden von den Bewohnerinnen weiter ausgedehnt und aufgeforstet. Durch die Wieder-Aufforstung hat sich die Biodiversität erhöht. Die Bienen finden vielfältigere Blüten, was den Honig schmackhafter macht. Auch die Gazellen sind zurückgekehrt. Zwei Ergebnisse, die vor allem die Leute vor Ort sehr schätzen.

Waldfläche schrumpft weiter

„Wir haben immer noch Entwaldung, wir verlieren also permanent Wald“, sagt Gratzer. Allerdings habe die Geschwindigkeit, mit der Wald verloren geht, über die letzten 20 Jahre abgenommen. Aktuell sind rund 30 Prozent der weltweiten Flächen bewaldet. Der wichtigste ist der Amazonas-Regenwald, der für ein Viertel der globalen Photosynthese verantwortlich ist.

Gerade dieser Wald sei aktuell aber in Gefahr, meint der Waldökologe. Die Abholzung des brasilianischen Regenwaldes sei seit der Machtübernahme Jair Bolsonaros wieder gestiegen. Im Mai dieses Jahres wurde pro Minute die Fläche von zwei Fußballfeldern gerodet. Insgesamt sind bereits 20 Prozent des Amazonas entwaldet.

„Keine Lösung für die Klimakrise“

Steigt die Entwaldung weiter, könnte das gravierende Auswirkungen auf das globale Klima haben. Wald erzeugt auch Niederschlag, da Bäume Aerosole abgeben, kleine Pflanzenteilchen und Sporen, an denen Feuchtigkeit kondensiert und sich Wolken bilden. Verliert man den Wald, verliert man also auch den Niederschlag.

Der Wald habe das Potenzial große Mengen an Kohlenstoff zu binden, ist Georg Gratzer überzeugt: „Die Klimakrise kann er aber nicht lösen.“ Um den Klimawandel zu stoppen, brauche es eine Abkehr von fossilen Brennstoffen und eine tiefgreifende Transformation der Wirtschaft.

Juliane Nagiller, Ö1-Wissenschaft

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